
Im April-Landtag reichte die FBP bezüglich des im Jahr 2010 eingeführten Modells für das Betreuungs- und Pflegegeld (BPG) ein Postulat betreffend «Massnahmen zur Optimierung und Weiterentwicklung des Betreuungs- und Pflegegeldes» ein. In der Postulatsbeantwortung geht die Regierung auf einige Anträge positiv ein – wie eine Teuerungsanpassung nach 14 Jahren oder die Weiterzahlung des Pflegegelds während Spitalaufenthalten – doch sind in zentralen Anliegen der betroffenen Menschen weitere Optimierungen zwingend notwendig.
Text: Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter
Die FBP führte in der Postulatseingabe dezidiert aus, dass sich das Betreuungs- und Pflegegeld in den 14 Jahren seit seiner Einführung im Jahr 2010 sehr gut etabliert habe und die mit seiner Einführung verbundenen Erwartungen voll und ganz erfüllen konnte. Doch sei mittlerweile ein Anpassungsbedarf augenfällig, und in der Praxis haben sich zudem Punkte herauskristallisiert, die einer Prüfung und Änderung bedürfen.
Im Postulat wurden insbesondere vier Punkte aufgeführt, die zugunsten der betroffenen Menschen dringend verbessert werden müssen:
- Regelung für Ausnahmesituationen, bei denen schwerstkranke Kinder oder schwer Demenzerkrankte betroffen sind
- Abzugsfreie Kurzaufenthalte in Pflegeheimen
- Teuerungsanpassung
- Herabsetzung der Eintrittsschwelle
Regelung für Ausnahmesituationen, bei denen schwerstkranke Kinder
oder schwer Demenzerkrankte betroffen sind
Es ist erfreulich, dass nach einer Lösung für die Weiterzahlung des Pflegegelds während Spitalaufenthalten von Kindern gesucht wird. Es ist wünschenswert, dass dies auch für Menschen mit Demenzerkrankungen ermöglicht wird, wenn die Anwesenheit einer Bezugsperson unbedingt erforderlich ist. Die einfachste und unkomplizierteste Umsetzung wäre natürlich, wenn die Regelung analog zu den zwölf abzugsfreien Ferientagen angewendet werden würde. Bei Kurzspitalaufenthalten wäre dies ein guter Vorschlag, doch bei wirklich intensiven, schwierigen Krankengeschichten mit langen Spitalaufenthalten ist dies keine Lösung, da die betroffenen Familien dann wieder vor dem gleichen Problem stehen, wie es bereits heute der Fall ist. Daher muss unbedingt eine Lösung gefunden werden, die sicherstellt, dass auch bei längeren Spitalaufenthalten weiterhin Pflegegeld gezahlt wird.
Bei der Regelung für Ausnahmesituationen, bei denen schwerstkranke Kinder oder schwer Demenzkranke betroffen sind, wird in der Postulatsbeantwortung die konkrete Erwähnung und die Verbesserung der meist sehr individuellen Problemsituation der Menschen mit Behinderung völlig vermisst. Ausnahmeregelungen lediglich bei minderjährigen Kindern anzuwenden, trägt den Herausforderungen von erwachsenen Menschen mit Behinderung überhaupt nicht Rechnung, wie auch aus verschiedenen Gesprächen der Postulanten mit Eltern von schwer beeinträchtigten Kindern – und auch wenn sie ins junge Erwachsenenalter gelangen – hervorgeht. So sind im BPG dingend «Ausnahmefälle» einzuführen, welche von der Hausärztin oder dem Hausarzt geprüft und zur finanziellen Hilfestellung freigegeben werden können.
Das Ansinnen, die Pflegestufe während des Spitalaufenthalts anzupassen, weil ein Elternteil vermehrt anwesend sein muss, ist kritisch zu hinterfragen. Bei den meisten Kindern, die Pflegegeld erhalten, ist die ständige Anwesenheit eines Elternteils auch zu Hause erforderlich. Die sinnvollste und effizienteste Lösung wäre, das Pflegegeld in der bestehenden Pflegestufe während des Spitalaufenthalts fortzuzahlen.
Abzugsfreie Kurzaufenthalte im Pflegeheim
Es ist erstrebenswert, zu prüfen, ob die abzugsfreien Tage auch für Kurzaufenthalte in einem Pflegeheim gelten könnten. Im Kontakt mit Betroffenen habe ich eindrücklich erfahren, dass pflegende Angehörige die Betreuung oft rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr übernehmen. Dies hat oft Auswirkungen auf ihre eigene Gesundheit. Häufig kommt es gerade bei pflegenden Ehepartnern vor, dass sie durch die Belastung selbst pflegebedürftig werden und einen Antrag auf Pflegegeld stellen müssen. Dies führt letztlich zu höheren Kosten.
Zudem besteht bei der derzeitigen Vorgehensweise die Gefahr, dass pflegende Angehörige auf die dringend benötigte Entlastung durch einen Kurzaufenthalt im Pflegeheim verzichten, um Pflegegeldabzüge zu vermeiden.
Teuerungsanpassung nach 14 Jahren
Es ist erfreulich, dass die Regierung in der Postulatsbeantwortung dem dringenden Wunsch nachkommt, das Pflegegeld 14 Jahre nach der Einführung der Teuerung anzupassen. Allerdings ist diesbezüglich anzumerken, dass dieser Ausgleich durch die parallel steigenden Kosten bei der Familienhilfe schnell wieder relativiert und gar neutralisiert wird. Für jene, die das Pflegegeld zur Deckung der Kosten für die Familienhilfe nutzen, bedeutet die Anpassung keine Kostenentlastung. Bei dieser Nicht-Wirkung der Teuerungsanpassung für jene Betroffenen, die auf den Betreuungseinsatz der Familienhilfe angewiesen sind, muss die Regierung nochmals über die Bücher.
Herabsetzung der Eintrittsschwelle ist ein zentrales Anliegen
Ein zentrales Anliegen des FBP-Postulats war und ist die Rücknahme einer Verordnungsveränderung bei den Ergänzungsleistungen – konkret die Rücknahme der Aufhebung des Art. 31 bis Abs. 1 Bst. 1a im LGBl 2021 Nr. 402 – oder die Herabsetzung der Eintrittsschwelle beim Betreuungs- und Pflegegeld von mindestens einer Stunde pro Tag auf zum Beispiel eine halbe Stunde.
Diese Verordnungsveränderung der Regierung ab dem 1. Januar 2022 mit der Aufhebung der besagten Bestimmung verursacht grosses Leid bei den Bezügern von Ergänzungsleistungen. Leider geht die Regierung mit dem Postulanten nicht einig, dass die Streichung dieser Bestimmung das zentrale Problem darstellt. Sie betrifft Menschen, die ohnehin Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Das Hauptproblem besteht darin, dass viele Betroffene den geforderten Mindestbedarf von einer Stunde Unterstützung pro Tag nicht erreichen und daher keinen Anspruch auf Pflegegeld haben. Dennoch sind sie auf Hilfe angewiesen, die sie sich aber nicht leisten können. Betroffene, die mit weniger als einer Stunde Hilfe pro Tag auskommen, erhalten diese Unterstützung derzeit nicht, da weder die EL noch das Pflegegeld die Kosten übernimmt. Dies führt in der Realität immer wieder zu Problemen, bei denen das Risiko einer Verwahrlosung ein zentrales Thema ist.
Die Wiedereinführung von Art.31bis Abs. 1 Bst. a) ELV wäre daher eine sehr wichtige Präventionsmassnahme. Die Regierung argumentiert, dass man doppelte Leistungen vermeiden wolle. Dies ist richtig, doch die Lösung dazu liegt in der präzisen Formulierung bei der Ergänzungsleistungs-Verordnung, wo klar festgehalten werden kann, dass die Kostenübernahme für Haushaltshilfen bei Personen angewandt wird, die aufgrund eines zu geringen Zeitaufwands die Eintrittsschwelle für das Pflegegeld nicht erreichen.
Administrativen Aufwand niederschwelliger gestalten
Der administrative Aufwand ist ein weiterer Punkt, welcher die BPG-BezügerInnen belastet. Die Regierung schreibt in der Postulatsbeantwortung selbst, dass eine Lohnabrechnung für einen Laien ohne Erfahrung nicht einfach sei. Vielfach müssen die Betroffenen ein Buchhaltungsbüro beiziehen, um die administrativen Voraussetzungen erfüllen zu können. Auch in diesem Bereich ist in Zukunft zu prüfen, ob die bürokratischen Hürden niederschwelliger und somit für die ohnehin in einer schwierigen Lebenssituation befindlichen Menschen zugänglicher gestaltet werden können.