Viel Geschichte und viele Geschichten aus und über Schaan

Toni Büchel, Grafikdesigner Armin Muhamedagić und Autor Heribert Beck (v . l.) stellen die «Schaaner Dorfgeschichte(n)» vor.

Am 10. November hat die Gemeinde Schaan der Öffentlichkeit das vierbändige Werk «Das schönste und grösste Dorf im ganzen ReichsFürstenthum Liechtenstein» präsentiert. Es trägt den Untertitel «Schaaner Dorfgeschichte(n)» und hat es sich zum Ziel gesetzt, die Vergangenheit der Gemeinde nicht nur aus grosser Flughöhe, sondern auch aus der Perspektive der Bevölkerung vergangener Jahrhunderte und Jahrzehnte zu erzählen.

Über 200 Gäste verfolgten die Buchpräsentation im SAL.

«Das, wovon die Bevölkerung von Schaan bis heute überzeugt ist, hielt Landesschreiber Josef Fritz bereits 1784 zusammen mit Landvogt Franz Michael Heinrich Gilm von Rosenegg in der ersten, teilweise erhaltenen Landesbeschreibung fest: ‹Schaan an und für sich, selbsten ohne Lichtenstein [= Vaduz] oder Planken dazugenommen, betrachtet, ist das schönste und grösste Dorf im ganzen ReichsFürstenthum Liechtenstein›», heisst es in der Einleitung der neuen Chronik zur Schaaner Dorfgeschichte. «Als ich über dieses zeitlose Zitat gestolpert bin, war für mich sofort klar, dass es der Titel des Buches wird», sagte Heribert Beck, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gemeinde Schaan und Autor des vierbändigen Werks, an der Buchpräsentation am 10. November im SAL.

Bekanntes und weniger Bekanntes
Das Ziel des Autors und der Gemeinde war es, die zahlreichen Monografien, die zu verschiedenen Themen der Gemeindegeschichte bereits existierten, um ein Werk zu ergänzen, das diese Gemeindegeschichte in ihrer Gesamtheit von den Anfängen bis zur Gegenwart darstellt. Die 18 Kapitel widmen sich Themen wie dem Einfluss der Kirche auf die Gemeinde und die Bevölkerung, der existenzsichernden Funktion der Alpen, der Wirtschaft, der medizinischen Versorgung oder der öffentlichen Sicherheit und den politischen Rechten. «Das umfangreichste und für mich interessanteste Kapitel widmet sich überdies allen Schaaner Vereinen, die vor 1974 gegründet worden sind. Darunter sind Vereine wie die Harmoniemusik und die Feuerwehr oder der Fussballclub, die in fast allen Gemeinden des Landes anzutreffen sind und die über gutsortierte Archive sowie viele Hintergrundberichte verfügen. Über andere Vereine wie den Rauchclub oder den Boxclub ‹Schwarze Hand› ist wenig bekannt. Teilweise konnte ich aber glücklicherweise mit Zeitzeugen sprechen, anderes in Zeitungsarchiven recherchieren», sagte Heribert Beck.

Dort, wo es keine Zeitzeugen mehr gab, konnte der Autor sich auf das übersichtlich organisierte Gemeindearchiv sowie Quellen aus dem Landesarchiv stützen. «Die jeweils zuständigen Archivarinnen und Archivare waren mir eine grosse Hilfe und haben mich immer unterstützt, wenn ich eine Information gesucht habe, die sich einfach nicht finden lassen wollte», sagte Beck. Beide Archive waren es auch, die einen grossen Teil der über 1000 Illustrationen beigesteuert haben, welche die insgesamt 1080 Seiten zieren. Der vierte Band enthält dabei nur wenige Bilder. Er ist hauptsächlich den Namen, Zahlen und Fakten gewidmet. Neben Übersetzungen der älteren Quellentexte in frühneuhochdeutscher Sprache finden sich dort Listen aller Schaaner Vereinspräsidenten, Gemeinderäte, Nachtwächter oder Alpvögte und vielen Persönlichkeiten aus dem Dorfleben mehr. «All diese Informationen lagen irgendwo im Gemeindearchiv oder den Vereinsarchiven vor. Sie zu finden, war keine grosse Kunst, aber sie alle zusammenzustellen hat einiges an Zeit erfordert.» Zeit erfordert hat auch das Personenregister mit den Namen aller handelnden Personen aus den drei vorangehenden Bänden. «Zum Glück hatte ich dabei die Hilfe einer Praktikantin, die alle diese Namen und die dazugehörigen Geburts- und Sterbedaten herausgesucht hat.»

Vizevorsteher Markus Beck erhält eines der ersten Exemplare.

Tod in den Franzosenkriegen
Hilfe hatte Beck auch, wie er am 10. November betonte, von Historikerin Eva Pepić-Hilbe, die rund 20 Jahre in leitender Funktion bei der Gemeinde Schaan beschäftigt war. «Wir kennen uns seit vielen Jahren, hatte beruflich auf unterschiedliche Weise miteinander zu tun und hatten stets ein sehr gutes Verhältnis. Unter anderem hat sie mich bei früheren Publikationen mit ihrem Fachwissen unterstützt. Dass ich mich auch bei diesem Werk wieder auf ihre Beratung und ihr Lektorat verlassen konnte, hat mir die Arbeit sehr erleichtert», sagte Heribert Beck. «Sie wusste immer, wo sich zu diesem oder jenem Thema noch eine spannende Information finden lässt. So hat sie mich zum Beispiel auf einen Eintrag in einem Sterberegister aus der Zeit der Napoleonischen Kriege aufmerksam gemacht, in dem davon berichtet wird, wie eine Schaanerin bei einem Scharmützel zwischen französischen und österreichischen Soldaten auf offener Strasse von einer verirrten Kugel getroffen wurde und ums Leben kam.»

Ein Pfarrer und seine Söhne
Solche tragischen, aber ebenfalls schöne Schicksale und andere interessante Geschichten sind es auch, die einen besonderen Reiz des Gesamtwerks ausmachen. Grafisch hervorgehoben als Exkurse oder eingewoben in den Text werfen sie immer wieder Schlaglichter auf die grösseren Zusammenhänge in der Gemeindegeschichte und darauf, wie die einfachen Bürger sie erlebt haben. Heribert Beck nennt ein Beispiel: «So zeigt ein Dokument aus dem Jahr 1538, dass der damalige Schaaner Pfarrer Aristoteles Düntel, zuständig für ein Gebiet, das neben Schaan auch Planken und Vaduz sowie Teile von Triesenberg umfasste, per Testament festgelegt hat, dass sein Erbe zu gleichen Teilen an seine drei Söhne aufgeteilt wird – mit dem Zusatz, dass allfällige weitere Kinder ebenfalls erbberechtigt sein sollen. Interessant ist daran vor allem, dass Düntel sich offenbar nicht sicher war, ob er noch andere Kinder gezeugt hat. Das zeigt, dass der Zeitgeist damals ein anderer war als heute. Denn es ist nichts Negatives über Düntels Amtsführung überliefert, während andere Zerwürfnisse in der früheren Gesellschaft und auch unter den Gläubigen sehr gut dokumentiert sind.»

Der Autor mit seinem Werk.

Oftmals sind es auch die Biografien von Schaaner Persönlichkeiten, welche die Zusammenhänge der einzelnen Themenbereiche in der Gemeindegeschichte gut sichtbar machen. «Kaspar Hilti beispielsweise war 1866 als Angehöriger des Militärs ein Teilnehmer am letzten Auszug der Liechtensteiner Soldaten. Rund um sein Leben lässt sich aufzeigen, wie die Rekrutierung vonstattenging, aber auch, wie der behutsame wirtschaftliche Aufstieg des Landes initiativen und innovativen Persönlichkeiten zu verdanken ist. Hilti gründete das heute noch bestehende und damit älteste Baugeschäft des Landes und erlebte hochbetagt, wie seine Nachfolger den Vertrag für den Bau der Pfälzerhütte unterschreiben durften, des höchstgelegenen Gebäudes Liechtensteins auf Schaaner Geemindegebiet und damit wiederum verbunden mit der Geschichte der Alp Gritsch und der Schaaner Alpen generell.» Auf solche Zusammenhänge wird im Buch immer wieder mit Seitenverweisen aufmerksam gemacht.

Die Verkaufsstellen
Wer das vierbändige Werk «Schaaner Dorfgeschichte(n)» erwerben möchte, erhält es zum Preis von 100 Franken zu den regulären Öffnungszeiten im Schaaner domus sowie in der Omni-Buchhandlung in Schaan. «Als Weihnachtsgeschenk eignet es sich eigentlich ideal, und ich freue mich über jede Rückmeldung», sagt Heribert Beck schmunzelnd.