Doris Büchel: «Ich nehme das Leben heute bewusster wahr»

Doris Büchel, Buchautorin, Triesenberg. Foto: Marco Büchel

Ein Buch, das zum Denken anregt

«Wie lange ist nie mehr» heisst das neue Buch der Liechtensteiner Autorin Doris Büchel. In ihrem Memoir erzählt sie tiefgründig und kompromisslos, setzt sich mit Leben und Sterben, Liebe, Verlust und Tod auseinander, aber auch mit dem eigenen Schreiben. So verwebt sie Fragmente zu einem Ganzen. Die ersten Reaktionen auf ihr neues Werk seien durchwegs positiv, sagt die Buchserin, die seit 20 Jahren in Triesenberg lebt. «Viele sagen, sie hätten das Buch regelrecht ‘verschlungen’. Besonders freut mich, dass es nicht nur berührt, sondern auch zum Nachdenken anregt – über Fragen, die uns alle betreffen.»

 

Hinsehen und schreiben
Inspiriert zu dem Werk hat Büchel eine Sinnkrise. Es sei keine einzelne Sache, sondern ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren gewesen, die sie in diese schlittern liessen. «Alte Muster, ein unerfüllter Kinderwunsch, das Älterwerden, die Frage nach Identität. Und dann war da noch ein verdrängtes Ereignis aus meiner frühen Kindheit – ein wichtiges Puzzleteil in der ganzen Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, mit mir.» Einen Weg daraus zu finden, sei gar kein schneller Prozess gewesen. «Es war eher ein langsames Vorantasten über Wochen, Monate.» Wobei sie nicht glaube, dass man mit einer Sinnkrise irgendwann einfach «fertig» sei. «Das Leben konfrontiert uns immer wieder mit neuen Herausforderungen. Der erste und wohl wichtigste Schritt war, mich zu entscheiden, hinzusehen. Und darüber zu schreiben.»

Bewusst ein Memoir
«Wie lange ist nie mehr» basiere auf wahren Begebenheiten, sagt die 53-Jährige. Das habe gute Gründe. «Ich habe realisiert, dass ich nicht über Verletzlichkeit und meine Auseinandersetzung mit der Endlichkeit schreiben kann, ohne mich selbst verletzlich zu zeigen, ohne über meine prägendsten Erlebnisse in diesem Zusammenhang zu schreiben.» So habe sie sich bewusst für das Genre «Memoir» entschieden, weil es Persönliches mit erzählerischen Elementen verbinde. «Bettina Kugler hat das im ‘Tagblatt’ sehr schön beschrieben: Memoirs mäandern um ein persönliches Thema, mischen Erzählpassagen und Faktisches, Reflexion und subjektives Empfinden.»

Unmittelbare Konfrontation mit der Endlichkeit
In Doris Büchels Buch kommen auch Menschen zu Wort, die sie als Anwenderin der würdezentrierten Therapie gesprochen hat. Als solche besucht sie Menschen in deren letztem Lebensabschnitt – sei es im Hospiz im Werdenberg, auf der Palliativstation in Altstätten oder bei ihnen zu Hause – um mit ihnen eine Art «geistiges Vermächtnis» in Briefform zu schreiben. Seit einem Jahr arbeite sie zudem auch mit der Hospizbewegung Liechtenstein zusammen. «Die unmittelbare Konfrontation mit der Endlichkeit, mit Sterben und Tod, mache etwas mit einem.» Die Begegnungen hätten sie geprägt und prägen sie weiterhin. «Ich denke, ich nehme das Leben heute bewusster wahr – besonders die vermeintlich unscheinbaren Momente.»

Auf was es ankommt
Die Gespräche mit den Menschen, die sich mit dem nahenden Tod auseinandersetzen müssen, seien nicht nur von Schwere geprägt. «Es wird auch mit Freude zurückgeblickt, es wird gelächelt, herzhaft gelacht. In den Begegnungen stecken so viel Liebe, Dankbarkeit und Demut vor dem Leben.» Sie versuche jeweils, all das aufzunehmen – das Schwere und das Schöne. Sie habe aber auch ihre persönlichen Rituale, die ihr helfen, das Erlebte zu verarbeiten. «Auch die Pflegenden und Ärzte, die Teams der Institutionen, mit denen ich zusammenarbeite, sind jederzeit für mich da, sollte ich ein offenes Ohr benötigen. Ich bin bestens aufgehoben.» Aus all den Gesprächen ergebe sich die Essenz, dass es im Leben am Schluss meist um die Liebe gehe. «Fast immer geht es in den Gesprächen am Ende um Beziehungen. Um Dankbarkeit und Liebe für die Menschen, die einem nahestehen.» Das berühre sie jedes Mal aufs Neue – und zeige ihr, worauf es im Leben ankomme.