Nach dem Sparkassa-Skandal von 1928 und der Abwahl der Volkspartei-Regierung stand die Bürgerpartei-Regierung unter Dauerbeschuss der Opposition. Regierungschef Josef Hoop legte ein Pressegesetz vor, das allzu heftige Kritik verunmöglichen sollte. Das Ziel wurde nicht erreicht. Eine Volksabstimmung im Jahr 1930 versenkte das Pressegesetz mit knapper Mehrheit.
Text: Günther Meier
Wer nachvollziehen möchte, warum die Regierung zu einem solch drastischen Mittel wie dem Pressegesetz zur Eindämmung der Kritik an der Politik griff, muss sich die Situation damals vor Augen halten. Politisch wie wirtschaftlich herrschten Ende der 1920er-Jahre herausfordernde Zeiten, die auf äussere wie auch auf innere Ursachen zurückzuführen waren. Die Weltwirtschaftskrise übte Einflüsse auf die Wirtschaft des Landes aus und zerstörte Hoffnungen auf einen Aufschwung. Bemühungen zur Sanierung der Staatsfinanzen mithilfe von Lotteriegesellschaften brachten nicht den erhofften Erfolg, sondern führten das Land und die Landesbank beinahe in den Ruin. Der «Sparkassa-Skandal» bildete den Anlass, dass die Volkspartei die Wahlen im Jahr 1928 gegen die Fortschrittlichen Bürgerpartei verlor. Der Machtwechsel trug jedoch nicht zu einer politischen Stabilisierung bei. Im Gegenteil: Die Parteien lieferten sich einen stetigen Schlagabtausch. Insbesondere Regierungschef Josef Hoop und Landtagspräsident Anton Frommelt, die beiden dominierenden Männer der Bürgerpartei, sahen sich dauernden, heftigen Angriffen der Opposition ausgesetzt, die zu ebenso kontroversen Gegenangriffen führten.
«Auswüchse des wüsten Pressekampfes» beseitigen
Um diesem Treiben ein Ende zu setzen oder es zumindest in etwas gesittete Bahnen zu lenken, legte die Bürgerpartei-Regierung dem Landtag 1930 ein Pressegesetz vor. Als Vorlage diente ein ähnliches Gesetz in Österreich. Landtagspräsident Anton Frommelt erklärte vor dem Eintreten des Parlaments auf die Vorlage, die hiesige Presse sei dazu missbraucht worden, «um über diese oder jene Persönlichkeiten, besonders Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, in ganz unverantwortlicher Weise herzufallen». Das Gesetz ziele darauf ab, «unverantwortlichen Missbräuchen der Presse einen gewissen Damm zu setzen», durch gesetzliche Bestimmungen, wie sie auch in anderen Ländern üblichen seien. Regierungschef Josef Hoop betonte ergänzend, das Pressegesetz orientiere sich an ausländischen Vorlagen, nur wenige Punkte seien an spezifisch liechtensteinische Gegebenheiten angepasst worden: Man wolle keinesfalls die Verbreitung guter Ideen oder gesunder Kritik unterbinden, aber die «Auswüchse des wüsten Pressekampfes» sollten verhindert werden. Vieles im geplanten Pressegesetz sei nicht neu für Liechtenstein, sondern entspreche nur den im Strafgesetz aufgestellten Bedingungen. Wie Landtagspräsident Frommelt betonte der Regierungschef, es gehe nicht gegen gerechtfertigte Kritik, sondern gegen «jene Auswüchse, die die Presse bei uns gezeitigt hat, dürfen mit Fug und Recht unterbunden werden.» Regierungschef Hoop sorgte sich auch um das Ansehen des Landes im Ausland, als er weiter ausführte: «Man muss sich direkt schämen, wenn gewisse Blätter in die Hände eines Ausländers kommen, der eine andere Pressefehde gewöhnt ist.»
Schützenhilfe hatten Regierungschef und Landtagspräsident vom «Liechtensteiner Volksblatt» erhalten, das in einer Vorschau auf die Landtagssitzung auf die Verfassung verwies, die jeder Person das Recht einräume, in Wort, Schrift oder in bildlicher Darstellung seine Meinung frei zu äussern. Allerdings lege die Verfassung auch fest, die freie Meinungsäusserung habe «innerhalb der Schranken des Gesetzes» zu erfolgen. Das bedeute jedoch, «dass diese Freiheit nicht eine ungezügelte sein soll, sondern dass der Staat in der Gesetzgebung Mittel hat, die Auswüchse der Presse zu bekämpfen».
Angesprochen waren damit die «Liechtensteiner Nachrichten», die in den Jahren 1924 bis 1936 als Nachfolgezeitung der «Oberrheinischen
Nachrichten» erschienen, bevor sie mit dem «Heimatdienst» zum «Liechtensteiner Vaterland» fusionierten. Gemünzt auf die «Liechtensteiner Nachrichten», schrieb das «Volksblatt» weiter, vielfach noch herrsche in Liechtenstein eine falsche Auffassung von Pressefreiheit: «Unter der Deckung durch den Schriftleiter wird beleidigt und herabgewürdigt, Grobheiten ersetzen eine ernste Kritik.» Das «Volksblatt» gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das neue Pressegesetz zur Beruhigung und zur Befriedung des öffentlichen Lebens beitragen werde.

Harte Strafbestimmungen sorgen für Kritik
Diese Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht. Das Pressegesetz sorgte für Aufruhr im Inland und für Aufsehen im benachbarten Ausland, besonders in der Schweiz. Aus den Reihen der Volkspartei waren schweizerische Medien mit Informationen über das geplante Pressegesetz versorgt worden. Je nach weltanschaulicher Ausrichtung äusserten bürgerliche Blätter ein gewisses Verständnis für die Regierung, während liberale und linke Zeitungen mit grobem Geschütz auffuhren. Das Pressegesetz wurde als «Maulkrattengesetz» bezeichnet, weiter hiess es, Liechtenstein schaffe die Pressefreiheit ab, die Regierung kneble die Meinungsfreiheit und die fortschrittlich-demokratische Opposition. Die allein regierende Bürgerpartei greife mit dem Gesetz zu polizeistaatlichen Methoden. Einzelne Zeitungen in der Schweiz kommentierten gar, Liechtenstein rücke mit dem diktatorischen Pressegesetz von der freiheitlich-demokratischen Schweiz ab, weshalb das Verhältnis zu Liechtenstein, dem die Schweiz bis anhin hilfsbereit beigestanden sei, überdacht werden müsse.
Stein des Anstosses waren vor allem jene Bestimmungen im Gesetz, die es den Behörden erlauben sollten, die Herausgabe von Zeitungen zeitweise oder sogar ganz zu verbieten: «Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten oder in Druckschriften (Zeitungen) die Beschlüsse, Verfügungen und Verordnungen der Landesbehörden durch Schmähungen, Verspottungen, unwahre Angaben oder Entstellung der Tatsachen herabwürdigt, deren Autorität auf irgendeine Art zu untergraben versucht oder untergräbt, wird vom Gericht mit Arrest von zwei Monaten bis zu einem Jahr bestraft.» Auch die Regierung sollte Möglichkeiten erhalten, gegen missliebige Berichterstattungen in den Zeitungen vorzugehen. Zusätzlich zu einer gerichtlichen Verfolgung war die Beschlagnahme von Zeitungen vorgesehen, im Wiederholungsfall drohte ein Verbreitungsverbot für einen Zeitraum von einer Woche bis zu einem Jahr. Ferner sah das Gesetz vor, dass die Regierung dem Schriftleiter einer Zeitung die Berufsausübung verbieten könnte, wenn er sich der erwähnten Tatbestände schuldig gemacht hatte. Ebenso hätte die Regierung die Kompetenz erhalten, wenn das Pressegesetz in Kraft getreten wäre, sogar eine Druckerei zu schliessen oder die Ausübung des Druckgewerbes zu verbieten.
Erfolgreiches Referendum gegen das Pressegesetz
Gegen das Pressegesetz wurde erfolgreich das Referendum ergriffen. Federführend im Kampf gegen das Gesetz waren die «Liechtensteiner Nachrichten», die alle Bürger dazu aufriefen, das Begehren zu unterzeichnen. Zwar äusserte sich die Zeitung positiv zum Bedürfnis nach einer Regelung der Rechte und Pflichten der Presse, aber nicht auf die von der Bürgerpartei vorgeschlagene Art und Weise. Auch für Strafen bei Übertretungen wurde Verständnis geäussert, aber nicht für die im Gesetz vorgesehenen: Mindeststrafe von 30 Tagen Arrest für ein unbedachtes Wort – damit könne ein freier Liechtensteiner nicht einig gehen! Begleitet wurde die Ablehnung mit einem Zitat des englischen Politikers und Heerführers Oliver Cromwell (1599–1658): «Eine Regierung, die nicht mal einen Papierschuss verträgt, ist keinen Schuss Pulver wert.»
Das Referendum kam zustande. Die Stimmbürger waren am 26. Oktober 1930 dazu aufgerufen, über das umstrittene Pressegesetz zu entscheiden. Es resultierte ein äussert knappes Resultat mit 1005 Ja gegen 1008 Nein – eigentlich ein Zufallsmehr von drei Stimmen für die Ablehnung. Die fünf Unterländer Gemeinden sowie Schaan und Planken sprachen sich für das Pressegesetz aus, womit die vier Oberländer Gemeinden Vaduz, Balzers, Triesen und Triesenberg den Ausschlag gaben. Das «Volksblatt» kommentierte, dass wohl ein Grossteil der Bevölkerung «von der Regelung der Pressetätigkeit nichts wissen will». Die «Liechtensteiner Nachrichten» erblickten im Abstimmungsresultat eine Niederlage für die Fortschrittliche Bürgerpartei, welche die Konsequenzen mit einem Rücktritt ihrer Exponenten aus Regierung und Landtag ziehen sollte.
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