Das Milizparlament ist ein zentrales Element der politischen Kultur Liechtensteins. Es ist Ausdruck einer bürgernahen Politik, die auf der aktiven Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger basiert. Doch das Milizsystem stösst an seine Grenzen.
Text: Dr. Gerald Hosp, Geschäftsleiter der Stiftung Zukunft.li, Ruggell
2025 haben sich 69 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl für die 25 Landtagssitze gestellt. Der Liechtensteiner Landtag ist als Milizparlament konzipiert und verkörpert die Idee, dass Bürgerinnen und Bürger ihr politisches Schicksal selbst in die Hand nehmen. Im Gegensatz zu Berufsparlamenten stehen Milizparlamente für Bürgernähe, breite politische Partizipation und einen schlanken Staat.
Während sich das Umfeld in den letzten Jahrzehnten durch gesellschaftliche Veränderungen, technologische Entwicklungen und die zunehmende Komplexität der politischen Landschaft gewandelt hat, wurden die Rahmenbedingungen des Landtages seit Jahrzehnten nicht mehr substanziell angepasst. Häufig wird beklagt, dass es schwieriger wird, die parlamentarische Tätigkeit mit Beruf und Privatleben zu vereinbaren.

Hohe Belastung, grosse Motivation
Längerfristig stellt sich die Frage, wie effizient und effektiv das Milizparlament noch ist. Eine Online-Umfrage unter ehemaligen und aktiven Abgeordneten bestätigt teilweise die Kritikpunkte. Die Befragten sprechen von einer hohen Arbeitsbelastung, die häufig zulasten der Familie und des Privatlebens geht. Auch sind sie mehrheitlich der Meinung, dass sich die Reputation des Landtags verschlechtert hat. Jeweils 40 Prozent sind der Überzeugung, die Entscheidungsqualität ist mittelmässig und die Effizienz geringer geworden.
Trotzdem würde nach den eigenen Erfahrungen nur knapp jeder zehnte Befragte nicht mehr für ein Landtagsmandat kandidieren. Das Interesse am politischen Diskurs, die persönliche Weiterentwicklung und die interessanten persönlichen Kontakte werden als Motivationsfaktoren genannt. Der Reformbedarf wird jedoch als hoch angesehen.
Reformbedarf und Lösungsvorschläge
Seit Jahren werden Reformvorschläge diskutiert, ohne dass es zu einer umfassenden Umsetzung gekommen ist. Zukunft.li sieht besonderen Handlungsbedarf in den Bereichen Expertenzugang, Effizienzsteigerung, soziale Absicherung und Arbeitsbelastung.
Mehr Zugang zu Experten
Drei Viertel der Abgeordneten wünschen sich einen vereinfachten Zugang zu Experten, um Fachfragen zu klären. Die Parteien können dabei Hilfestellung leisten, indem sie zu ausgewählten komplexen Fragestellungen Expertengutachten einholen oder wissenschaftliche Unterstützung bereitstellen. Der Parlamentsdienst sollte zudem moderne technische Lösungen zur Verfügung stellen.
Verstärkte Kommissionsarbeit
Die Kommissionsarbeit sollte ausgeweitet werden, um vertieftes Fachwissen aufzubauen und eine höhere Effizienz zu gewährleisten. Kommissionen tragen zudem dazu bei, die Position des Landtags gegenüber der Regierung zu stärken. Um wiederholende Diskussionen zu vermeiden, sollten die Sachgeschäfte, die bereits in einer Kommission behandelt wurden, im Plenum einer Redezeitbeschränkung unterliegen.
Optionale Sozialversicherungen
Abgeordnete sollten die Möglichkeit haben, sich freiwillig für Sozialleistungen zu versichern und in eine Pensionskasse einzuzahlen, um Vorsorgelücken zu schliessen. Das Land sollte die entsprechenden Arbeitgeberbeiträge leisten.
Stellvertreterregelung
Die Rolle der stellvertretenden Abgeordneten sollte klarer definiert werden. Sie agieren in einer rechtlichen Grauzone. Dabei sollte aber die Flexibilität beibehalten werden, damit ordentliche Abgeordnete auch entlastet werden können. Ein Wahlverfahren mit zwei Listen für Abgeordnete und Stellvertreter könnte Abhilfe schaffen. Kandidatinnen und Kandidaten könnten sich dann bewusst entscheiden, für welches Amt sie sich zur Verfügung stellen.
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