
Mehrfach wurden im Zweiten Weltkrieg die Ausstellungsräume mit den Kunstwerken des Fürstenhauses Liechtenstein geschlossen und wieder geöffnet. Gegen Ende des Krieges, als auch Städte in Österreich bombardiert wurden, bestand höchste Gefahr für die Kunstschätze. Mit abenteuerlichen Aktionen aber konnte ein Teil nach Vaduz überführt werden.
Text: Günther Meier
Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 hatte auch Auswirkungen auf die während Jahrhunderten von den Fürsten von Liechtenstein gesammelten Kunstwerke. Die Zentralstelle für Denkmalschutz erliess den Bescheid, die fürstliche Kunstsammlung werde unter den österreichischen Denkmalschutz gestellt. Damit war es praktisch unmöglich geworden, die Kunstwerke trotz akuter Gefährdung aus Österreich wegzubringen. Schon im Herbst 1944 stellte Fürst Franz Josef II. einen Antrag an die deutschen Behörden, die Kulturgüter zur Sicherheit nach Vaduz zu evakuieren. Die Antwort war erwartungsgemäss negativ, aber Fürst Franz Josef II. und Kabinettsdirektor Gustav Wilhelm schafften es trotzdem, einen erheblichen Teil nach Liechtenstein in Sicherheit zu bringen – mit Überlistung der Zollbehörden.
Am Mittwoch in der Karwoche 1945, am 28. März, verabschiedeten sich ein Autobus und ein Lastwagen mit Anhänger aus Liechtenstein in Richtung Österreich. Ihr Ziel waren verschiedene Orte, in denen man wertvolle Kunstschätze des Fürstenhauses eingelagert hatte. Der fürstliche Kabinettsdirektor Gustav Wilhelm hatte für die Fahrt Franz und Andreas Ritter aus Mauren gewinnen können, die bereit waren, eine solch abenteuerliche Rettungsaktion zu übernehmen. Schon drei Tage danach, am Karsamstag, 31. März 1945, standen die beiden Fahrzeuge am Abend beim Zollamt Feldkirch-Schaanwald. Das deutsche Zollamt war über den Transport jedoch informiert und liess die Kunstwerke nicht über die Grenze nach Liechtenstein. Trotz abenteuerlicher Fahrt durch Österreich, vorbei an Flüchtlingsströmen und unter steter Angst vor Bombardierungen, konnte dieser Teil der Rettungsaktion mit Erfolg abgeschlossen werden. Bis die Kunstwerke aber auf Schloss Vaduz in Sicherheit waren, gab es noch einige Hürden zu überwinden und Abenteuer zu überstehen.

B 069/001/016; Fotograf / Künstler: Frommelt, Otto / Vaduz; Quelle: Liechtensteinisches Landesarchiv Vaduz
Kunstwerke in Bergwerk in Sicherheit gebracht
Die Liechtenstein-Galerie in Wien war bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine weltberühmte Ausstellung. Neben bekannten Gemälden von Rubens, Leonardo da Vinci oder Rembrandt gehörten auch Plastiken, Stiche, Teppiche, Möbel, Waffen und Porzellan zu den Ausstellungsstücken. Bei Kriegsausbruch am 1. September 1939 hatte Kabinettsdirektor Gustav Wilhelm die Kunstwerke in den Keller der Galerie in Sicherheit gebracht. Schon vorher war die Liechtenstein-Galerie vorübergehend aus Sicherheitsüberlegungen geschlossen worden, etwa als Deutschland 1938 mit Krieg gegen die Tschechoslowakei drohte. Weil Fürst Franz Josef II. die Unterbringung im Keller der Galerie als nicht sicher einstufte, befasste er sich mit dem Gedanken, die Kunstwerke nach Liechtenstein zu verbringen.
Nachdem andere Wiener Museen begonnen hatten, ihre Objekte ausserhalb der Stadt in Sicherheit zu bringen, verlegte auch das Fürstenhaus einen Teil seiner Kunstwerke – etwa in die frühere Karthause Gaming in Niederösterreich. Mit dem Kriegsverlauf wurden aber auch diese Orte ausserhalb Wiens zunehmend unsicherer, sodass Fürst Franz Josef II. alles
daransetzte, die Kunstwerke nach Liechtenstein zu verlegen. Weil seit 1944 das Reichsministerium des Innern in Berlin für solche Fragen zuständig war, wurde auf verschiedenen Kanälen versucht, das Ministerium für eine Ausfuhr zu gewinnen.
Die Eingabe von Fürst Franz Josef II. bei den deutschen Behörden lässt erahnen, dass es sich um eine grössere Aktion handelte, die Kunstwerke mit der Eisenbahn in Sicherheit zu bringen: Für die Gemäldegalerie würden vier bis fünf Waggons benötigt, für die Möbel drei Waggons, für die Kupferstichsammlung und die Bücher nochmals je ein Waggon. Für seinen Antrag führte der Fürst «Luftgefährdungsgründe» an, um die Kulturgüter an einem sicheren Ort erhalten zu können. Im Herbst 1944 erreichte der Fürst bei den zuständigen Stellen, einen kleineren Teil der Sammlung nach Vaduz überführen zu dürfen. Dabei handelte es sich um weniger bedeutende Kunstwerke. Für die wertvollsten Kunstgegenstände, die zuerst im Kloster Gaming und dann im Salzbergwerk Ischl in Salzburg untergebracht waren, erhielt er erst am 21. März 1945 die Bewilligung für die Ausfuhr, aber nicht nach Vaduz, sondern nur auf die Insel Reichenau im Bodensee.

B 069/001/006; Fotograf / Künstler: Frommelt, Otto / Vaduz; Quelle: Liechtensteinisches Landesarchiv Vaduz
Kunstwerk-Schmuggel von Fürst Franz Josef II.
Schon vor der Genehmigung durch die österreichischen bzw. deutschen Behörden gelangten aber Kunstwerke nach Vaduz. Im Herbst 1943 holte Kabinettsdirektor Gustav Wilhelm mehrmals kleinformatige, aber wertvolle Gemälde aus dem Depot in Gaming ab, die der Fürst unbemerkt über die Grenze nach Schloss Vaduz brachte. Möglich war dies, wie der Historiker Peter Geiger im Buch «Kriegszeit» schreibt, weil Fürst Franz Josef II. mit einem Diplomatenpass reiste, weshalb er an der Grenze nicht kontrolliert wurde. Gustav Wilhelm führt dazu in seinen Erinnerungen aus, dass er Befürchtungen hatte, das Wegholen von Bildern könnte den Verantwortlichen auffallen. Um mögliche Verdächtigungen zu zerstreuen, ging er in die Offensive und informierte die Zuständigen über sein Vorhaben: Er wolle nur die Kunstwerke etwas dezentralisieren, weil in Gaming zu viele wertvolle Kunstschätze lagerten, und richte anderswo ein neues Depot ein. Gemälde und andere Kunstwerke gelangten mit diesem Trick in das Auto des Fürsten, der sie mit seinem Auto umgehend nach Liechtenstein transportierte.
Gefahrvolle Reise der Kunstwerke durch Österreich
Weil die Russen bereits bis nach Ungarn vorgerückt waren, erhielt der Fürst am 21. März 1945 die erwähnte Genehmigung, Kunstwerke nach Westen zu verbringen. Kabinettsdirektor Wilhelm holte mithilfe von Andreas und Franz Ritter einen Teil der wertvollen Kunstschätze ab. In Salzburg mussten sie aus dem Salzbergwerk geholt, in Kisten verpackt und auf die beiden Fahrzeuge verladen werden. Die Rückfahrt in Richtung Liechtenstein gestaltete sich beschwerlich, weil tagsüber Bombenangriffe drohten und in der Nacht wegen Truppenverlegungen kaum Platz auf den Strassen war.
Kabinettsdirektor Gustav Wilhelm täuscht die Zöllner
Weniger Glück hatte der Transport, der laut Gustav Wilhelm am «Karsamstag, 31. März 1945, abends um 19 Uhr 20» an die liechtensteinische Grenze kam, bei den Zollbeamten in Feldkirch-Tisis. Die dortigen deutschen Zollbeamten hatten den Befehl erhalten, den Transport nicht nach Liechtenstein durchzulassen, weil die Evakuierung der Kunstwerke nur auf die Insel Reichenau gestattet war. Erst am Ostermontag ging es weiter auf die Reichenau. Weil aber Süddeutschland bereits unter Beschuss der Alliierten stand, nutzte Gustav Wilhelm die allgemeine Verwirrung, liess die Kunstschätze nach Bregenz transportieren und griff erneut zu einer List: «Am Bahnhofzollamt zeigte ich die Ausfuhrbewilligung für den Hausrat des Fürsten und teilte mit, dass ich zwei Busse voll Hausrat hier habe und diese ins Fürstentum führen müsse. Die Listen der bewilligten Sachen seien beim Zollamt in Feldkirch, und ich schlug vor, dass das Zollamt Bregenz die beladenen Wagen versiegeln und gleich bis zum Bahnhof Schaan aufgeben solle.»
Der Trick gelang, allerdings musste Wilhelm eine Erklärung unterschreiben, dass die Fracht in Liechtenstein vom Zoll begutachtet werden dürfe. Die Gemälde wurden ins Schloss Vaduz gebracht, der Raum wurde versiegelt, weil Kabinettsdirektor Wilhelm angeblich schon wieder nach Wien abgereist sei und nur er die Kunstwerke kenne. In Tat und Wahrheit stieg Wilhelm in mehreren Nächten über den Dachboden in diesen Raum und vertauschte die Nummern auf den Bildern. Als die Zollkontrolle dann vor Ort war, konnten die Kontrolleure, die keine Kunstkenner waren, die Kunstwerke mit ihren Listen vergleichen – und hatten nichts zu beanstanden: Im Schloss befanden sich damit aber die wertvollsten Gemälde, die eigentlich nicht nach Liechtenstein hätten gebracht werden dürfen.
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