Die Regierung hat in ihrer Sitzung vom 11. März 2025 den Vernehmlassungsbericht zur Schaffung eines Strassengesetzes verabschiedet. Ziel des geplanten Gesetzes ist es, eine eigenständige Grundlage für den Bau, den Unterhalt und die Nutzung der Landstrassen in Liechtenstein zu schaffen. Gemeindestrassen bleiben vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die Vernehmlassungsfrist endet am 15. Juni 2025.
Text: Carmen Oehri
Allgemeines
In Liechtenstein gibt es bisher kein spezifisches Gesetz in Bezug auf den Bau und den Unterhalt von Landstrassen. Der Entwurf reagiert auf bestehende rechtliche Unklarheiten und orientiert sich an der langjährigen Verwaltungspraxis sowie an den Regelungen der Nachbarstaaten. Zunächst soll durch das neue Gesetz Klarheit darüber geschaffen werden, welche Strassen als Landstrassen gelten und welche nicht. Hintergrund ist, dass das Land die Erstellung und den Unterhalt der Landstrassen finanziert, was immer wieder zu Abgrenzungsfragen und Diskussionen mit den Gemeinden geführt hat. Neben der Einführung eines Bewilligungsverfahrens für bestimmte Tiefbauvorhaben enthält die Vorlage auch neue Regelungen zur Enteignung und über die Höhe von Entschädigungen sowie zur Mitbenutzung von Strassenflächen durch Dritte.
Was künftig als Landstrasse gilt – und was nicht
Das neue Strassengesetz soll für alle Landstrassen gelten, die öffentlich genutzt werden können. Bisher fehlte eine klare gesetzliche Definition. Die Einstufung als Landstrasse beruhte auf der Verwaltungspraxis. Künftig soll der Landtag in einem offiziellen Landstrassenplan festlegen, welche Strassen darunterfallen. Dazu zählen auch Nebenanlagen wie Busspuren, Fahrradstreifen oder Trottoirs sowie in bestimmten Fällen auch öffentliche Plätze wie der Peter-Kaiser-Platz. Landstrassen stehen meist im Eigentum des Landes, können aber auch über Dienstbarkeiten, Verträge oder langjährige öffentliche Nutzung zugänglich sein. Ausgenommen vom Gesetz sind hingegen Landstrassen, die nicht öffentlich genutzt werden, wie etwa interne Zufahrten, Parkplätze oder Waldstrassen.
Einführung eines Baubewilligungsverfahrens für Tiefbauten
Für Tiefbauprojekte des Landes – insbesondere den Bau von Strassen und Brücken – soll ein eigenständiges Baubewilligungsverfahren eingeführt werden. Das Verfahren lehnt sich in seiner Systematik an das Baubewilligungsverfahren nach dem Baugesetz an, berücksichtigt jedoch die besondere Ausgangslage, dass sowohl die Bauherrschaft als auch die Bewilligungsinstanz das Land selbst ist. Das Bewilligungsverfahren soll nicht pauschal zur Anwendung gelangen, sondern lediglich bei der Realisierung neuer Landstrassen gemäss dem geplanten Gesetz sowie bei substanziellen Anpassungen bestehender Infrastrukturen. Für Vorhaben geringerer Tragweite – etwa die Errichtung von Busbuchten, Wartekabinen oder Strassenaufweitungen zur Schaffung von Fussgängerinseln – ist weiterhin kein Bewilligungsverfahren vorgesehen. In solchen Fällen soll die Umsetzung wie bisher unmittelbar erfolgen können.
Anpassung der Enteignungsregeln für den Strassenbau
Um die Realisierbarkeit von Strassenbauprojekten zu verbessern, sieht der Entwurf vor, die Enteignungsregeln anzupassen. Neu soll die Regierung über Enteignungen und die Höhe von Entschädigungen entscheiden können, wobei diese Entscheidungen beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden können. Das Verfahren selbst soll je nach Art der Finanzierung unterschiedlich ausgestaltet sein. Bei Projekten, für die der Landtag im Rahmen eines Finanzbeschlusses ausdrücklich Mittel bewilligt hat, kann die Regierung direkt ein Enteignungsverfahren einleiten. Handelt es sich hingegen um sogenannte «gebundene Ausgaben», also um gesetzlich vorgesehene oder zwingend notwendige Ausgaben, soll zunächst eine unabhängige Enteignungskommission eingesetzt werden. Diese prüft den Fall und spricht eine Empfehlung an die Regierung aus, bevor über eine allfällige Enteignung entschieden wird.

Über die Person
Carmen Oehri ist als Rechtsanwältin in Liechtenstein zugelassen und verfügt zudem über das Anwaltspatent des Kantons Zürich. Schwerpunktmässig beschäftigt sie sich mit Gesellschafts- und Vertragsrecht. Darüber hinaus befasst sich Carmen Oehri mit Fragen des Erbrechts und der Nachlassplanung. Sie ist für in- und ausländische Privatpersonen und Unternehmen beratend sowie prozessführend tätig.
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