
Vor 100 Jahren: Freiluftspiel in Balzers
Im Sommer 1925 wurde auf der Burg Gutenberg ein vielbesuchtes
Burgenspiel aufgeführt. «Der letzte Gutenberger», wie das Freiluftspiel
genannt wurde, wird dieses Jahr, 100 Jahre später, unter der Leitung von Nikolaus Büchel wieder aufgeführt.
Text: Günther Meier
Der Burghügel Gutenberg in Balzers lockte schon vor unserer Zeitrechnung zur Besiedlung. Funde weisen Siedlungsspuren aus der mittleren Jungsteinzeit, ungefähr 4500 vor Christus, nach. Bei Ausgrabungen stiessen Archäologen ausserdem auf Überreste aus der Bronzezeit (15./14. Jahrhundert vor Christus) und der Eisenzeit (8./6. Jahrhundert vor Christus). Keramik, Schmuck und Münzen sowie Mauerreste, die auf dem markanten Burghügel gefunden wurden, stammen aus der Römerzeit. Doch obwohl zahlreiche Belege von sehr früher Besiedlungen vorliegen: Der Burghügel hat noch nicht alle Geheimnisse preisgegeben.
Zu diesen Geheimnissen zählt, wann die Burg Gutenberg auf dem Hügel erbaut wurde. «Die Entstehung der Burg kann man sich als Erweiterung der älteren Kapelle vorstellen», schreiben Ulrike Mayr und Markus Burgmeier im Historischen Lexikon. Der älteste Burgenteil sei wahrscheinlich im 12. Jahrhundert errichtet worden, was aber noch nicht restlos geklärt werden konnte. Auch über die ersten Burgherren, die auf dem Hügel ihre Wohnstatt errichteten und über das Gebiet herrschten, gibt es keine gesicherten Hinweise. Als wahrscheinlich gilt, dass die Burg um das Jahr 1300 herum von den Herren von Frauenberg bewohnt wurde. Und die Gutenberger? Laut Ulrike Mayr und Markus Burgmeier werde die Burg auch mit deren Geschlecht in Verbindung gebracht, «wofür jedoch urkundliche Belege fehlen».
Ein solch markantes Bauwerk auf einem solch markanten Hügel, das noch einige Geheimnisse birgt, reizt natürlich zu Spekulationen und nicht zuletzt zur Aufarbeitung in einem Drama. Der Stoff also, der die Grundlage zum Burgen- oder Freilichtspiel «Der letzte Gutenberger» bildete. Das Stück wurde von Karl Josef Minst (1898–1984) geschrieben, einem Sohn von Georg Minst, der in Triesen als Oberlehrer wirkte. Die Geschichte um den letzten Gutenberger siedelte Minst in der Zeit des Schwabenkriegs von 1499 an, als die Burg Gutenberg lange von den Eidgenossen belagert wurde, aber nicht eingenommen werden konnte. Der Autor lässt den jungen Wirnt von Gutenberg, den letzten Nachkommen des verarmten Herrschergeschlechts der Gutenberger, im Schwabenkrieg auf die Burg seiner Väter zurückkehren, um bei der Verteidigung zu helfen. Um eine Rückkehr handelte es sich deshalb, weil Wirnt die Burg wegen einer Liebschaft verlassen hatte. Als verarmter Adelsspross musste er einsehen, dass sein Liebesverhältnis mit der Tochter des Burgvogtes zu keinem guten Ende führen würde. Wieder auf der Burg, erfuhr Wirnt von der Verlobung der Tochter mit dem kaiserlichen Feldmarschall Hans von Königseck, der ebenfalls zur Verteidigung angereist kam.

Burgvogts Ulrich von Ramschwag, und Emma Fehr-Wolfinger (Postkarte); 01.01.1925 – 31.12.1925;
SgAV 04/0005/011, Fotograf/Künstler: Müller, Friedrich/Buchs; Quelle: Liechtensteinisches Landesarchiv Vaduz
Grosses Lob in den Medien für die Balzner Schauspieler
Aus dem Zusammentreffen der beiden Männer, die in die gleiche Frau verliebt sind, formte Minst ein Schauspiel, das in die Wirren des Schwabenkriegs eingebettet ist. Das Freilichtspiel im Burghof kam beim Publikum aus Liechtenstein und der Region gut an, wie die Zeitungen damals berichteten. Die «Liechtensteiner Nachrichten» schrieben über den «gutbesetzten Autopark beim Schulhaus» und über die lange Reihe von Kunstbeflissenen auf dem steilen Weg zur Burg. «Die Balzner brauchten zu ihrem Freilichtspiel keine Kulissen zu bauen», wurde die historische Kulisse der Burg beschrieben, «alles ist da, was zum Schauspiel gehört: Ein stolzer Schlosshof, feste Mauern, dröhnender Wehrgang, grüner lebendiger Efeu, duftender Holunder». Die Zeitung war voller Lob über das Schauspiel. Dieses Urteil sei aber kein Ausdruck von Höflichkeit gegenüber der Riesenarbeit, die hinter dem Stück stecke, betonen die «Liechtensteiner Nachrichten», sondern die Überzeugung von der Qualität des Gesehenen und Gehörten. Auch das «Liechtensteiner Volksblatt» zeigte sich begeistert vom Stück und den Leistungen der Schauspieler, die beinahe vollzählig aus Balzers stammten: Der Verfasser Karl Josef Minst habe aus Geschichte, Sage und eigener Fantasie ein recht hübsches Ganzes gezimmert, einschliesslich der verschiedenen Sagen aus dem Schwabenkrieg, die in Balzers erzählt würden. Gelobt wurde auch der Ort des Burgenspiels. Der Gutenberger Burghof eigne sich nicht nur allein als natürlicher Schauplatz der Handlung, sondern auch akustisch vortrefflich für die Aufführung: Selbst zurückhaltend gesprochene Worte der Spielenden seien im Zuschauerraum sehr gut verstanden worden, ganz abgesehen von den musikalischen Einlagen der Balzner Streichmusik sowie der Sängerinnen und Sänger. Die «Liechtensteiner Nachrichten» erwähnten in einem Bericht zusätzlich, mit welcher gespannten Aufmerksamkeit viele Kinder die Aufführung mitverfolgten: Geradezu ergreifend sei es gewesen, sie zu beobachten, als der todwunde Wirnt mit erlöschender Stimme vom Leben Abschied nahm: «Es herrschte eine so feierliche Stille unter dem sonst als quecksilbrig bekannten Volke, dass man ein Mäuslein hätte hören müssen, wäre es über die Tribüne gelaufen!»
Belagerung der Burg Gutenberg und die Schlacht bei Triesen
Karl Josef Minst nahm den Schwabenkrieg als Hintergrund für seine Geschichte über den letzten Gutenberger. Im Schwabenkrieg von 1499 standen sich die Truppen der Eidgenossenschaft und des Schwäbischen Bundes gegenüber. Anlass für den Krieg war die Auseinandersetzung zwischen den Eidgenossen und dem Haus Habsburg über die Vorherrschaft im Grenzgebiet, das vom Bodensee über Graubünden bis gegen Basel reichte. Auch das Gebiet des heutigen Liechtensteins wurde in diese Auseinandersetzungen miteinbezogen, worunter die arme Landbevölkerung schwer zu leiden hatte. Eine besondere Rolle bei den Kampfhandlungen spielte die Burg Gutenberg, in der sich die Habsburger Truppen verschanzt hatten. Die Eidgenossen versuchten vergeblich, die Festung einzunehmen. Nachdem die Eidgenossen von der Burg abgelassen hatten, kam es am 12. Februar 1499 zu einer blutigen Schlacht bei Triesen, worauf die Habsburger nach schweren Verlusten in Richtung Vorarlberg flohen. Das nun offene Gebiet war den Raubzügen der Eidgenossen schutzlos ausgeliefert, Vaduz und Schaan wurden geplündert, Bendern ging in Flammen auf.
Die Eidgenossen setzten Schloss Vaduz in Brand
Wo genau die blutige Schlacht in Triesen stattgefunden hat, ist bisher nicht geklärt. In früheren Schilderungen hiess sie oft «Schlacht bei St. Wolfgang», womit die Kapelle St. Wolfgang im nördlichen Teil Triesens mit dem Kriegsgeschehen in Verbindung gebracht wurde. Genauer überliefert ist die Plünderung von Schloss Vaduz durch die Eidgenossen, die nach der Flucht der Habsburger die Verfolgung aufnahmen und eine Spur der Verwüstung hinterliessen. Auf Schloss Vaduz residierte damals Ludwig von Brandis, der mit den Eidgenossen verhandeln wollte, um weiteres Blutvergiessen zu verhindern. Er bot 10’000 Gulden, wenn das Schloss und der Ort Vaduz nicht geplündert würden. Die Heerführer waren dem Plan nicht abgeneigt, doch die Landsknechte drangen noch während der Verhandlungen in das Schloss ein und raubten alles, was sich wegtragen liess. Eine Gruppe verschaffte sich Zugang zum gut gefüllten Weinkeller, was vielen von ihnen zum Verhängnis wurde. Während die durstigen Kriegsgesellen sich am Vaduzer Wein labten, zündeten andere in den oberen Stockwerken die Festung an. Die Decke brach ein, und die fröhlichen Zecher, die vorher den sich zur Wehr setzenden Kellermeister erstochen hatten, ertranken im Wein.
Eine andere Geschichte ging als vielzitierte Sage in die Geschichte Liechtensteins ein: der Verrat des Uli Mariss. Die Eidgenossen wollten die Österreicher, die sich in Feldkirch verschanzt hatten, in einer weiteren Schlacht entscheidend schlagen. Im Schaaner Uli Mariss fanden die Soldaten einen Führer, der sie über Planken und den Saroya-Sattel führte, womit sie den Österreichern in den Rücken fallen konnten. Laut der Sage hoffte Uli Mariss auf einen satten Lohn für seinen Dienst, hatte aber nicht mit der Reaktion der Eidgenossen gerechnet. Der Hauptmann der Eidgenossen forderte Mariss auf, niederzuknien und den Hut in die Hand zu nehmen. Der Hut wurde jedoch nicht mit Geld gefüllt, sondern der Hauptmann schlug dem Verräter mit einem mächtigen Hieb den Kopf ab, der statt Gold und Silber in den Hut rollte.
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