Recht auf Lüge oder Pflicht zur Wahrheit?

Leserbrief von Achim Vogt (DpL-Abgeordneter), Triesenberg

Der Journalist und Autor Jakob Schirrmacher fordert in seiner Streitschrift „Desinformiere dich!“ nichts weniger als das Recht auf Lügen.

Was provokant klingt, ist eine Fundamentalkritik an der gegenwärtigen Informationsordnung. Staatliche Stellen und nachgelagerte Faktencheck-Organisationen, massen sich an, Wahrheit zu definieren – und wer davon abweicht, wird als „Desinformationsverbreiter“ diffamiert. Schirrmacher sieht darin eine gefährliche Verschiebung: Nicht mehr «was» gesagt wird, zählt, sondern «wer» es sagt – mit welchem Netzwerk, welchem Motiv. Der Diskurs wird durch eine paranoide Struktur ersetzt, in der jede abweichende Meinung verdächtig ist.

Besonders während der Corona-Zeit wurde laut Schirrmacher deutlich, wie eng der Meinungskorridor geworden ist. Wer hinterfragt, gilt als unsolidarisch oder gleich als rechtsradikal. Die Moralisierung von Debatten ersetzt die Auseinandersetzung – schwarz oder weiss, gut oder böse. Dazwischen bleibt kein Raum. Doch Meinungsfreiheit, so Schirrmacher, bedeutet auch das Recht, sich zu irren – oder sogar zu lügen.

„Den Staat zum obersten Wahrheitshüter zu küren“, hält er für zutiefst gefährlich. Denn das öffnet der Zensur Tür und Tor. Wahrheit wird nicht mehr gesucht, sondern verordnet. Kritik und künstlerische Freiheit erstarren zur Selbstzensur – aus Angst vor sozialer Ächtung oder juristischer Verfolgung.

Was Schirrmacher fordert, ist eine diskursfähige Öffentlichkeit – ein Raum für echten Streit, in dem auch unbequeme oder falsche Positionen geäussert werden dürfen. Nur so kann eine lebendige Demokratie bestehen. Dass sein Buch von keinem Verlag gewollt war, spricht Bände. Wer Kontrolle über Wahrheit beansprucht, zerstört den Diskurs.

Wahrheit entsteht im offenen Wettstreit – nicht durch Dekrete.