Die Pfälzerhütte dürfte die bekannteste Berghütte in der liechtensteinischen Alpenwelt sein. Der Treffpunkt für Wanderfreunde auf dem Bettlerjoch wurde Ende der 1920er-Jahre vom Architekten Ernst Sommerlad geplant. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Liechtensteiner Alpenverein das Berghaus im Jahr 1949 erwerben. Vor der Neueröffnung 1950 musste es allerdings restauriert werden, weil es 1945 von französischen Soldaten teilweise verwüstet worden war.
Text: Günther Meier
Das ausgehende 19. Jahrhundert war die Zeit der deutschen Wanderfreunde, die mit der Errichtung von Berghütten die Alpen eroberten. Der in Ludwigshafen beheimatete Verband der Pfälzischen Sektionen im Deutschen und Österreichischen Alpenverein hatte für den Bau einer neuen Berghütte die schöne Felsterrasse auf dem Bettlerjoch ausgesucht. Bis das Bauwerk errichtet worden war, dauerte es allerdings noch einige Zeit. Wanderfreunde aus der Pfalz fragten nach dem Ersten Weltkrieg die Schaaner Alpgenossenschaft Gritsch an, ob man ihnen dort, in der Nähe des Naafkopfs, eine Parzelle zum Bau einer Berghütte überlassen würde. Die Gritscher willigten ein, und der Architekt Ernst Sommerlad, der damals in Schaan wohnte, erhielt den Auftrag zur Planung des Bauvorhabens. Benannt wurde es nach der Herkunft der Bauherren aus der Pfalz – Pfälzerhütte.
Architekt Sommerlad gewann den Wettbewerb
Die Pfälzer beschlossen am 10. Mai 1925, eine bewirtschaftete Berghütte auf dem 2111 Meter über Meer gelegenen Bettlerjoch zu bauen. Der Beschluss fand grosse Zustimmung bei den Wanderfreunden aus der Pfalz, aber auch die Regierung des Fürstentums Liechtenstein habe sich begeistert gezeigt, verlautete aus dem für den Bau verantwortlichen Gremium. Schon im Frühjahr 1926 erteilte die Regierung ihre grundsätzliche Genehmigung für den Bau einer Berghütte. Mehr noch: Auch auf Unterstützung von liechtensteinischer Seite konnten die Pfälzer zählen. Fürst Johann II. stellte das Holz für den Bau zur Verfügung, das Land Liechtenstein übernahm einen erheblichen Teil der Kosten für die Zufahrtswege. Damals gab es erst einen Fahrweg bis zur Alp Gritsch, sodass ein neuer Weg von Gritsch bis zum Bettlerjoch erstellt werden musste. Um die Transportwege möglichst kurz zu halten, wurde das Holz im Sücka-Wald geschlagen und dort auch für das Bauwerk aufbereitet.
Die Planung der Berghütte auf dem Bettlerjoch scheint ein begehrter Auftrag für die Architekten gewesen zu sein. Nicht weniger als 37 von ihnen aus Deutschland und Österreich beteiligten sich an dem im Herbst 1926 ausgeschriebenen Wettbewerb. Den Zuschlag erhielt – wie bereits erwähnt – Ernst Sommerlad, der damals in Schaan wohnte und mit seinen Häusern einen ganz eigenen Baustil in Liechtenstein etablierte. Die Jury lobte seinem Entwurf für die Berghütte und betonte, sein Plan entspreche den technischen Anforderungen der Ausschreibung. Zudem habe er das Projekt den örtlichen Bedingungen auf dem Bettlerjoch am besten angepasst.
Trotz Schwierigkeiten eine Bauzeit von nur 113 Tagen
Mit den Bauarbeiten wurde am 11. Juli 1927 begonnen. Die Witterungsbedingungen im Sommer machten die Realisierung des Bauvorhabens zu einer eher schwierigen Angelegenheit, ganz besonders für die Materialtransporte. Bis Gritsch konnten die Fuhrwerke mit zwei Pferden auf dem schmalen Bergweg fahren. Auf der Alp mussten die Lasten auf zweirädrige, mit einem Pferd bespannte Wagen zum Transport bis zur Baustelle umgeladen werden. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte das Bauwerk nur etwas mehr als ein Jahr später, am 5. August 1928, in Betrieb genommen werden: Die reine Bauzeit hatte 113 Tage betragen, die Baukosten wurden mit 93’000 Franken beziffert. In der «Pirmasenser Zeitung» erschien zur Eröffnung ein Artikel, der die Berghütte in den allerschönsten Farben schilderte: «Die Pfälzerhütte ist zu einem Schmuckkästchen geworden, zum Lob ihres Erbauers, ebenso aber auch zur Ehre der Männer, die unermüdlich an der Aufbringung der Mittel arbeiteten und sich durch keine Hemmnisse vom gesetzten Ziel abbringen liessen. Der Bau steht fertig da. Möge ihn in der heissen Sonne des Sommers, im Schnee des Winters, in Sturm und Regen stets der Himmel in seinen Schutz nehmen. Möge er recht vielen Pfälzern, recht vielen Bergsteigern Schutz und Sicherheit, Frieden und Freude bringen!»
Auch das «Liechtensteiner Volksblatt» berichtete über die Eröffnung und zeigte sich überzeugt, dass neu errichtete Berghaus auf dem Bettlerjoch werde allen Stürmen widerstehen: «Die Pfälzerhütte zeigt sich heute dem Besucher von aussen als festes Haus, das allen Stürmen und Unbilden der Hochgebirgswelt trotzen soll. Feste Mauern mit einem Dach aus starkem Blech. Nirgends ein Bestandteil, der dem Wind und Wetter unnötig eine Angriffsfläche bietet. So ragt die Hütte in die Alpenwelt wie ein Wahrzeichen unbeugsamen Willens.»
Plünderungen nach dem Zweiten Weltkrieg
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machten sich viele Wanderfreunde und Bergsteiger aus Liechtenstein, der Pfalz und aus anderen Gegenden auf den Weg zur Pfälzerhütte. Die einen wollten die Gastfreundschaft der Berghütte und die schöne Wanderung über Malbun oder Valüna geniessen, für die anderen war die Pfälzerhütte ein Ausgangspunkt für eine Weiterwanderung, nachdem sie die Nacht in der Berghütte verbracht hatten. Der Krieg bereitete den Wanderungen ein Ende, die Pfälzerhütte wurde geschlossen. Nach Kriegsende fiel die Pfälzerhütte auf Druck der Alliierten in die «Sperre deutscher Vermögenswerte in der Schweiz». Damit wurde eine Verrechnungsstelle in Zürich berechtigt, die Pfälzerhütte treuhänderisch zu verwalten. Die seit 1939 nicht mehr bewohnte Hütte sei nach dem Krieg in einem trostlosen Zustand gewesen, beschrieb der frühere Forstmeister Eugen Bühler die Situation. Mehrfach sei sie aufgebrochen und geplündert worden, wohl von Wanderern, aber auch von französischen Besatzungssoldaten, die in Vorarlberg stationiert waren.
Was mit der Pfälzerhütte geschehen sollte, war nach Kriegsende noch nicht klar. Die Regierung unter dem neuen Regierungschef Alexander Frick, ein Bergfreund und Kenner der heimischen Bergwelt, ersuchte den Liechtensteiner Alpenverein, die Betreuung des Bauwerks zu übernehmen, damit der Zerfall nicht weiter andauern sollte. Baufachleute schätzten die Wiederherstellungskosten auf 38’000 Franken. In der Folge wurde der Alpenverein aktiv und bei der Verrechnungsstelle in der Schweiz vorstellig: Der weitere Zerfall des Berghauses sollte aufgehalten und die Renovation möglichst bald in Angriff genommen werden, weil es sich bei der Pfälzerhütte um ein bedeutendes Bauwerk für Bergwanderer und Bergsteiger im Dreiländereck Schweiz, Österreich und Liechtenstein handle. Die Verrechnungsstelle wollte aber keine Investitionen vornehmen und schreckte offenbar vor einer Enteignung der Pfälzer zurück. Nachdem sich auch die Regierung für die Erhaltung eingesetzt hatte, wurde die Pfälzerhütte am 29. September 1949 zum Verkauf ausgeschrieben – mit dem Hinweis, es seien keine Einnahmen vorhanden, aber eine Sanierung sei dringend notwendig. Das Angebot richtete sich an verschiedene Alpenklub-Sektionen in der Schweiz und an den Liechtensteiner Alpenverein.
Der Alpenverein konnte die Pfälzerhütte erwerben
Die Verkaufsverhandlungen mit den Pfälzern konnten nach einiger Verzögerung am 24. April 1950 abgeschlossen werden. Der Liechtensteiner Alpenverein kam für einen Kaufpreis von 8400 Franken in den Besitz der Berghütte. Weil dieses Geld nicht vorhanden war, erliess der Alpenverein einen Aufruf um Spenden sowie um freiwillige Arbeitsleistungen. Die Aufrufe verhallten nicht ungehört, wie Eugen Bühler einmal in der «Bergheimat» den Arbeitseinsatz beschrieb: «Und siehe da, Hunderte zogen hinauf auf das Bettlerjoch, diesmal nicht mit dem Bergstock, sondern mit Pickel und Schaufel und anderem notwendigen Werkzeug ausgerüstet. Frohes Leben hielt Einzug in das öde Berghaus, kundige und regsame Hände ersetzten Türen, Fenster und morsches Gebälk, besserten Mauerwerk und Wasserleitungen aus.» Nach über 2000 freiwilligen Arbeitsstunden konnte die Pfälzerhütte am 30. Juli 1950 wieder für Wanderer und Bergsteiger eröffnet werden, mit einer Heiligen Messe, Ansprachen und Musik.
Der Name Pfälzerhütte blieb erhalten, obwohl das nun im Besitz des Liechtensteiner Alpenvereins war. Denn der Alpenverein aber hatte nicht vergessen, dass es ohne die Pfälzer Wanderfreunde keine Pfälzerhütte auf dem Bettlerjoch geben würde. Sozusagen als Anerkennung wurde den Pfälzern im Jahr 1964 über einen Vertrag die gleichberechtigte Mitbenutzung wie den Mitgliedern des Alpenvereins zugesichert.
Pfälzerhütte auf einer deutsch-liechtensteinischen Gemeinschaftsbriefmarke
Viele Jahre später spielte die Pfälzerhütte nochmals eine versöhnliche Rolle in den Beziehungen zwischen Deutschland und Liechtenstein. Nach den Streitigkeiten wegen gestohlener Bankdaten, der Abqualifizierung Liechtensteins als «Fluchtburg für unversteuertes Kapital» und der Drohung des deutschen Finanzministers, er werde die Kavallerie ins Fürstentum schicken, einigten sich die Postgesellschaften beider Länder auf die Herausgabe einer Gemeinschaftsbriefmarke. Und was eignete sich am besten für den symbolischen Akt der Versöhnung im Jahr 2012? Natürlich die Pfälzerhütte auf einer Briefmarke!

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