Leserbrief von Uwe Fischer, Rötis, Eschen
Die Regierung Liechtensteins begründet ihren Verzicht auf einen Vorbehalt zur revidierten Fassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) mit der Ansicht, ein solcher bringe keinen Mehrwert. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Vorbehalt schützt nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die nationale Rechtsordnung vor einer Überlagerung durch WHO-IGV-Bestimmungen.
Gemäss Art. 19 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) dient ein völkerrechtlicher Vorbehalt dem Schutz nationaler Rechtsnormen vor vagen oder widersprüchlichen Bestimmungen internationaler Abkommen.
Die IGV sind ein völkerrechtliches Regelwerk gemäss Art. 21 der WHO-Verfassung. Nach Art. 8 Abs. 2 der liechtensteinischen Verfassung gehen völkerrechtliche Verpflichtungen dem nationalen Recht grundsätzlich vor, sofern kein klarer Ausnahmemechanismus greift.
Die IGV enthalten den Begriff „Fehl- und Desinformation“, der undefiniert bleibt. Der Schweizer Bundesrat hat deshalb einen Vorbehalt formuliert, da eine gesetzliche Grundlage für staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit fehlt. Dieser Vorbehalt verhindert, dass unklare oder umstrittene Normen (z. B. zu Desinformation) ohne demokratische Kontrolle direkt auf nationales Recht durchschlagen. Auch in Liechtenstein gibt es keine präzise gesetzliche Regelung / Normierung in diesem Bereich.
Die Bezugnahme auf Art. 3 IGV, der die Souveränität der Vertragsstaaten betont, ersetzt keinen Vorbehalt. Diese Norm ist lediglich programmatisch und hat keine bindende Durchsetzungswirkung im Konfliktfall. Ein Vorbehalt wäre daher nicht nur völkerrechtlich legitim, sondern notwendig, um die nationale Auslegungspriorität bei Grundrechten zu sichern.
Ein Vorbehalt würde zudem ein klares Zeichen demokratischer Verantwortung setzen. Er würde Transparenz schaffen, die Verfassung stärken und verhindern, dass Grundrechte im Krisenfall durch internationale Mechanismen unterlaufen werden. Der Verzicht auf einen Vorbehalt ist rechtlich und ethisch nicht überzeugend.