Die Kleinstaatenspiele in Andorra sind vor kurzem zu Ende gegangen, Liechtenstein durfte sich über 18 Medaillen freuen. Dazu darf jeder Athletin und jedem Athleten gratuliert werden. Aber wir reden über Kleinstaatenspiele, dabei waren Liechtensteins Sportlerinnen und Sportler in früheren Jahren eifrige Medaillensammler bei Grossanlässen, also Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften dazu kamen Top-Platzierungen bei internationalen Bewerben.
Kommentar: Christoph Kindle
Vor allem im alpinen Ski-Weltcup wurde Liechtenstein von 1974 bis 2018 mit zahlreichen Erfolgen verwöhnt. Hanni Wenzel, Willi Frommelt, Andi Wenzel, Paul Frommelt, Ursula Konzett, Markus Foser, Birgit Heeb, Marco Büchel, Achim Vogt, Tina Weirather, sie alle standen mindestens einmal zuoberst auf dem Treppchen und/oder holten Edelmetall. Aber auch im nordischen Bereich hatte Liechtenstein dank Markus Hasler und Stephan Kunz eine Phase mit absoluten Top-Klassierungen. Gerne blicken wir auch im Radsport in die Vergangenheit zurück, Roman Hermann, Adolf Heeb, Paul Kind, Andreas Clavadetscher, um nur einige zu nennen, sorgten viele Jahre für positive Schlagzeilen. Im Schwimmsport beispielsweise beschenkte Julia Hassler 2017 (EM-Dritte) Liechtenstein mit der ersten Liechtensteiner Medaille überhaupt bei einem Schwimm-Grossanlass. In der Leichtathletik errangen Manuela Marxer und Günther Hasler in ihren Disziplinen mehrere Schweizer Meistertitel. Die Liste vergangener liechtensteinischer Sport-Erfolge könnte fortgeführt werden.
Von diesen glorreichen Zeiten darf man aktuell in unserem Land wohl nur noch träumen. In den Hauptsportarten ist Liechtenstein derzeit international weit weg von Spitzenklassierungen. In der Parade-Disziplin, dem Skisport, schaffen LSV-Athleten im Weltcup kaum mehr den Sprung unter die besten 30. Auch in anderen Bereichen hinkt Liechtenstein hinterher. Bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris war das Land gerade einmal mit einem einzigen Athleten vertreten. Dabei wird die finanzielle Unterstützung durch das Land für den LOC von Jahr zu Jahr grösser, einige Sportlerinnen und Sportler erhalten seit einiger Zeit sogar eine Teilanstellung im Dachverband. Am Aufwand und an den Rahmenbedingungen sollte es also nicht liegen, aber woran dann? Fehlen die Naturtalente wie in früheren Jahren oder sind unsere SportlerInnen zu schnell zufrieden?
Ähnlich verläuft die Tendenz beim Liechtensteiner Fussballverband. Vor knapp 20 Jahren lag die Nationalmannschaft im FIFA-Ranking noch auf Position 118, unterdessen ist die LFV-Auswahl auf Rang 205 unter weltweit 210 Nationen zu finden. Selbst gegen das Schlusslicht der Weltrangliste, San Marino, setzte es in der vergangenen Nations League zwei Niederlagen ab. Im Nationalteam sind immer weniger Profis zu finden, im Aufgebot stehen mittlerweile regelmässig Spieler aus der 2. oder gar 3. Liga. Die U21-Auswahl musste vor ein paar Jahren sogar aufgelöst werden, jetzt wurde sie reaktiviert. An dieser Entwicklung kann irgendetwas nicht stimmen, zumal der LFV bezüglich Mittel und Infrastruktur bestens aufgestellt ist – dank Geldern von FIFA und UEFA. Also auch diesbezüglich die Frage: Woran liegt es, dass kaum mehr Liechtensteiner Spieler den Sprung aus den LFV-Nachwuchsteams in den Profibereich schaffen oder diesen Schritt überhaupt in Betracht ziehen? Der Absturz in der Weltrangliste und die enttäuschenden Ergebnisse, selbst in der untersten Division der Nations League, sind bestimmt kein Zufall.
Vielleicht fehlt es sowohl beim LOC als auch beim LFV ein wenig an einer gewissen Selbstreflexion. Spricht man mit Verantwortlichen oder verfolgt die Medienberichte, so ist kaum einmal ein kritisches Wort zu hören oder zu lesen, im Gegenteil, man sieht sich auf dem richtigen Weg. Objektiv betrachtet ist das aber nicht der Fall, es wäre an der Zeit, diverse Dinge einmal zu hinterfragen, denn Stillstand ist bekanntlich Rückschritt.