Lara Zwiefelhofer aus Gamprin ist 27 Jahre jung und hat als Zimmerin EFZ mit ihren Botschafts-Touren durch die Schweiz sowie dem Einsatz beim Berghüttenbau in Georgien und Kaukasus-Gebiet auf 3000 Meter über Meer unheimlich viel bewegt und erlebt. Es ist ein Interview mit einer jungen, initiativen und ausstrahlungskräftigen handwerklichen
Berufs-Botschafterin, das begeistert. Tauchen Sie einfach hinein…
Interview: Johannes Kaiser
Lara, du bist in Liechtenstein keine Unbekannte und hast dir mit den Zimmerin-Touren in der Schweiz und auch im Kaukasus sowie in Georgien einen ganz tollen Namen gemacht. Wie bist du auf diesen beruflichen Weg gekommen?
Lara Zwiefelhofer: Das war ehrlich gesagt eine Mischung aus Bauchgefühl, Abenteuerlust und einem gewissen Trotz. Ich war schon immer jemand, die lieber draussen unterwegs ist, als drinnen sitzt. Während sich viele in meinem Umfeld für klassische Karrierewege interessiert haben, habe ich gemerkt, dass mich das nicht erfüllt. Ich wollte etwas machen, das greifbar ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Zuerst ging ich dann aber in die HTL Rankweil und begann die Schule Richtung Bautechnik. In einem Sommerpraktikum merkte ich dann aber schnell, dass mich der Beruf der Zimmerin fasziniert. Holz ist ein Werkstoff mit Seele. Es lebt, riecht, knackt und verändert sich. Und als Zimmerin steht man mitten im Geschehen – man sieht nicht nur, wie etwas entsteht, man ist ein Teil davon. Als junge Frau in einem eher männerdominierten Berufsfeld hatte ich anfangs natürlich Respekt, aber auch Lust, genau das zu durchbrechen. Ich wollte beweisen, dass handwerkliches Können kein Geschlecht kennt.
Und du bist dann auch sehr schnell mit dieser Botschaft durch die Schweiz getingelt und hast in Schulen den Zimmerin-Beruf den jungen Menschen schmackhaft gemacht?
Ja. Es ging so. Eines Tages nach abgeschlossener Lehre und ein paar Jahren Berufserfahrung wurde ich am Businesstag für Frauen in Vaduz auf die ausgeschriebene Stelle beim Verband Holzbau Schweiz angesprochen. Das Berufsmarketingprojekt Zimmerin on Tour – inspiriert von der traditionellen Wanderschaft, aber modern interpretiert, um den Nachwuchs zu fördern, eine Tour durch die ganze Deutschschweiz im Camper – mein Zuhause auf vier Rädern für acht Monate. Ich war sofort angetan von dieser grossartigen Tour und wollte raus, lernen, wachsen und dabei auch andere inspirieren. Dass daraus Begegnungen mit über 80 Schulen, internationale Projekte und sogar Arbeiten im Hochgebirge wurden, hätte ich nie gedacht. Aber es zeigt, dass man mit Herz, Handwerk und Offenheit weit kommen kann – oft auch an Orte, an die man nie geplant hatte zu gehen.
Du warst bei deiner Tour durch die Schweiz sage und schreibe in 83 Schulen. Das war sicherlich sehr spannend?
Das war nicht nur spannend – es war auch bereichernd, manchmal anstrengend, aber vor allem: extrem wertvoll. In 83 Schulen zu stehen, vor Hunderten von Jugendlichen zu sprechen, ihre Fragen zu hören und ihre Blicke zu sehen, wenn sie begriffen haben, dass es mehr Wege im Leben gibt als nur Matura oder Studium – das war für mich der grösste Lohn. Viele Jugendliche wissen gar nicht, was handwerkliche Berufe alles bieten. Da herrschen oft völlig überholte Klischees: dreckige Hände, schwere Arbeit, wenig Perspektive. Ich konnte zeigen, dass genau in diesen Berufen echte Abenteuer stecken. Dass man mit dem, was man baut, Menschen hilft. Ich habe unglaublich viele Fragen gestellt bekommen: Wie wird man Zimmerin? Hast du mal Angst gehabt? Was ist dein Lieblingswerkzeug? Und auch ganz persönliche: Vermisst du deine Familie? Wie geht man mit Einsamkeit auf der Tour um? Diese Offenheit hat mich tief berührt – und mir gezeigt, wie wichtig es ist, jungen Menschen echte, ehrliche Geschichten zu erzählen. Keine Hochglanz-PR, sondern echtes Leben. Meiner Meinung nach ist es einfach der Königsweg, zuerst eine praktische Lehre abzuschliessen. Man kann anschliessend die Matura machen und dann studieren gehen. Man kann sich auf dem Beruf selber weiterbilden bis zu einer Geschäftsübernahme oder der Selbstständigkeit. Nach einer Lehre stehen einem alle Türen offen, nur hat man schon praktische Arbeitserfahrung gesammelt, schon mal selber Geld verdient und ist grösstenteils schon sehr selbstständig.
Du warst auch bereits zweimal in Georgien auf 3000 Metern Meereshöhe auf einer Mission. Was hast du dort gemacht?
Das war eine der intensivsten Erfahrungen meines Lebens – im wahrsten Sinne des Wortes «hoch hinaus». Eine Holzbaufirma aus Wil realisiert in Georgien im Kaukasusgebirge sieben Berghütten, auf denen man später auch übernachten kann. Das Ziel des Projektes ist es den Tourismus zu fördern. Man kann auf einer mehrtägigen Tour durch den wunderschönen Kaukasus wandern, von Hütte zu Hütte. Auf meiner Tour als Zimmerin on Tour habe ich vom Projekt erfahren und durfte letztes Jahr vier Wochen lang mitarbeiten. Wir haben in Höhen gearbeitet, wo einem buchstäblich die Luft wegbleibt – nicht nur wegen der körperlichen Anstrengung, sondern auch wegen der Aussicht. Der Kaukasus ist majestätisch. Die Dörfer liegen eingebettet in einer Natur, die einen Demut lehrt. Das erste Mal flog ich im Juli nach Georgien in die Hauptstadt Tiflis, von dort reiste ich zuerst zwei Wochen quer durch Georgien, um das Land kennenzulernen. Anschliessend fuhr ich dann mit meinen Arbeitskollegen und einem topausgebildeten Rega-Piloten, die aus der Schweiz angereist sind, ins Gebirge nahe der russischen Grenze nach Akheli. Dort schliefen wir in einem Guesthouse und der Heli stand im Garten, das war schon cool.
Wie seid ihr aufgenommen worden?
Ja. Was mich am meisten bewegt hat, war die Herzlichkeit der Menschen dort. Die Familien, mit denen wir zusammengearbeitet haben, haben uns nicht als Helfer gesehen, sondern als Gäste. Wir haben gemeinsam gegessen, getanzt, diskutiert. Und natürlich auch gearbeitet – oft bis in die Dunkelheit. Die nächsten drei Wochen waren gefüllt mit aussergewöhnlichen Abenteuern in den Bergen. Diese Einsätze waren nicht nur ein berufliches Abenteuer, sondern auch eine menschliche Schule. Ich habe dort mehr über Zusammenarbeit, Respekt und kulturelle Vielfalt gelernt als in manchem Seminarraum. Manchmal braucht es eben 3000 Meter Höhe, um wirklich bodenständig zu werden. Wir starteten immer morgenfrüh mit der Arbeit und flogen jeden Tag mit dem Helikopter auf die Baustelle. Ein Team war oben am Aufrichten der Hütte und ein Team war bei einem nahegelegenen Lagerplatz, bei dem die vorproduzierten Holzbauelemente, die schon im Werk im Wil gebaut wurden, lagen. Es war Arbeiten und Ferien zugleich.
Gab es auch brenzlige Situationen?
Wir waren sehr wetterabhängig und hatten nur per Funk teils Kontakt. Als ich im Sommer in Georgien war, stellten wir Berghütte vier und fünf auf. Im Oktober konnte ich nochmals nach Georgien reisen. Das war fast noch mehr Abenteuer als im Sommer, denn als ich ankam, nach einer siebenstündlichen Offroad Anreise zur Unterkunft in den Bergen über einen der gefährlichsten Pässe der Welt, begann es plötzlich zu schneien. Wir ergänzten noch das Dach der sechsten Berghütte, bevor wir leider abbrechen mussten. Unser Rückweg von der gebauten Hütte bis zur Unterkunft begann mit einer Wanderung durch 40 cm Schnee entlang eines schmalen Bergweges und endete mit einer Rettungsaktion mit dem Helikopter – Nervenkitzel pur also. Am nächsten Morgen mussten wir bei minus 7 Grad sogar den Helikopter von Hand mittels auf einem Gasherd heiss gekochtem Wasser und Plastiktüten enteisen, damit wir über den Pass fliegen konnten, wieder Richtung Hauptstadt.
Du hast mit deinen Touren viele andere Kulturen, Menschen und Denkweisen kennengelernt. Wie haben dich diese Erlebnisse geprägt?
Sehr tief. Ich glaube, Reisen – vor allem in Verbindung mit Arbeit – verändert einen nachhaltig. Es ist etwas anderes, ob man irgendwo Ferien macht oder ob man mit den Menschen vor Ort gemeinsam etwas aufbaut. Man sieht nicht nur die schöne Fassade, sondern taucht ein – in ihre Sorgen, Träume, Rituale und Realitäten. Ich habe gelernt, dass es nicht nur eine Art gibt zu leben – und dass meine westliche Sichtweise eben nur eine Perspektive unter vielen ist. In Georgien etwa ist die Familie heilig, Gastfreundschaft eine Selbstverständlichkeit, und Zeit hat dort einen ganz anderen Stellenwert. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Welt zu gehen. Ich versuche seither, weniger schnell zu urteilen. Menschen sind oft viel mehr als das, was wir auf den ersten Blick sehen. Und gerade im Handwerk merkt man schnell: Sprache ist wichtig – aber gemeinsames Arbeiten ist eine noch stärkere Verbindung.
Danke, Lara, für dieses höchst interessante, spannende, inspirierende und sehr sympathische Gespräch.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.