Meinungsfreiheit? Ja – aber offenbar nicht für alle

Leserbrief von Martin Seger, DpL-Abgeordneter, Schaan

 

Der gestrige Interview von David Sele mit Thomas Rehak, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der politischen Debattenkultur in unserem Land. Wenn rund zwei Drittel eines Gesprächs sich primär mit der Einordnung von Achim Vogt und meiner Person beschäftigen mit dem Schwerpunkt „rechts“ dann sagt das mehr über den Fragesteller als über die Befragten aus. Wer keine inhaltliche Substanz zu bieten hat, weicht auf Etiketten aus. Die ständige Wiederholung solcher Narrative ist gefährlich für eine offene Demokratie und eine neue ungute Dimension in der politischen Landschaft Liechtensteins.

Gerne stelle ich für Zwiefelhofer und Sele nochmals klar: Ich habe mich im Landtag wie öffentlich sachlich und fundiert zum 30-Jahre-EWR-Bericht geäussert. Dieser Bericht zählt 218 Seiten. Ganze vier (!) Seiten behandeln die Sichtweise der Bürgerinnen und Bürger basierend auf einer Online-Umfrage der Universität Liechtenstein. Mein zentraler Kritikpunkt: Die entscheidende Frage „Geht es den Menschen in Liechtenstein heute besser als vor 30 Jahren?“ wird in diesem Bericht nicht einmal gestellt. Wer diese Frage in den Raum stellt, wird öffentlich als „Rechtspopulist“ diffamiert. Das ist keine sachliche Auseinandersetzung, das ist gezielte Diskreditierung.

Erschwerend kommt hinzu, dass nun auch David Sele im Interview mit Thomas Rehak in dieselbe Kerbe schlägt wie Herr Zwiefelhofer und sich damit an der persönlichen Denunziation von kritischen Oppositionsstimmen beteiligt. Wenn eine Regierungspartei wie die VU gemeinsam mit ihrer Parteizeitung die sich gleichzeitig als „neutral“ gibt eine offen erkennbare Propaganda gegen Einzelpersonen der Opposition betreibt, dann ist das ein demokratiepolitischer Tiefpunkt. Das Ziel scheint klar: Kritische Stimmen sollen nicht ernst genommen, sondern öffentlich delegitimiert werden.

Gerade das Liechtensteiner Vaterland, mit seiner besonderen historischen Verantwortung, sollte sich bewusst sein, welche Wirkung mediale Zuspitzung und politische Etikettierung haben können. Wer behauptet, für Demokratie und Meinungsvielfalt einzustehen, muss auch andere Meinungen tolerieren nicht nur die eigenen.

Denn offensichtlich gilt Meinungsfreiheit nicht für alle gleich. Wer, wie ich, unbequeme Fragen stellt, wird etikettiert. In einer lebendigen Demokratie darf das nicht sein. Kritik ist kein Angriff, sie ist ein Zeichen funktionierender Kontrolle. Und wer das dämonisiert, zeigt, wie weit wir uns von echter demokratischer Reife entfernt haben.