Erbprinz Alois spricht im Sommerinterview mit der «lie:zeit» über die aktuellen Herausforderungen für Liechtensteins Politik, über die Arbeit von Landtag und Regierung und darüber, was das Land künftig bewegen könnte.
Interview: Herbert Oehri und Heribert Beck
Durchlaucht, wie war Ihr Sommer? Konnten Sie ein wenig Zeit mit der Familie geniessen und sich erholen?
S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Ja. Ich konnte herrliche Tage in der Toskana und der Steiermark geniessen.
Mit dem Staatsfeiertag kommende Woche beginnt das politische Leben in Liechtenstein von Neuem. Welche Herausforderungen muss die Landespolitik Ihres Erachtens kurz- bis mittelfristig angehen?
Zu den dringendsten Herausforderungen, die wir in nächster Zeit angehen sollten, gehören nötige Anpassungen wegen der sich grundlegend geänderten internationalen Lage. In diesem Zusammenhang sollten wir insbesondere eine neue Sicherheitspolitik entwickeln.
Dringend sind auch Anpassungen bezüglich der rasanten technologischen Entwicklung, vor allem hinsichtlich der künstlichen Intelligenz sowie der uns heute überall begleitenden Smartphones. Dazu müssen wir unter anderem Wege finden, um die damit verbundenen neuen psychologischen Belastungen sowie gesellschaftliche Destabilisierungen durch sogenannte Internet-Blasen zu vermeiden.
Schliesslich bleibt die demografische Entwicklung eine dringende Herausforderung. In diesem Bereich müssen wir weitere Fortschritte bei der Umsetzung der Altersstrategie realisieren – sowohl zur nachhaltigen Finanzierung unserer Sozialversicherungen als auch zur Sicherung von Arbeitskräften für unsere Unternehmen und jenen Teil der Bevölkerung, der auf Dienstleistungen wie Pflege und Ähnliches angewiesen ist.
Dazu ist in erster Linie die Koalitionsregierung gefordert. Wie erleben Sie deren Zusammenarbeit?
Die Koalitionsregierung hat gerade erst mit der Arbeit begonnen, und die Regierungsmitglieder mussten sich auch noch grösstenteils mit neuen Ministerien vertraut machen. Ich habe aber den Eindruck, dass die Zusammenarbeit in der Koalitionsregierung bisher gut funktioniert.
Bringt die starke Opposition im Landtag Liechtenstein eher Vor- oder Nachteile und wie könnte die Opposition sich Ihres Erachtens möglichst positiv für das Land einbringen?
Für eine Demokratie ist eine starke Opposition ein Vorteil, wenn sich die Opposition positiv für die langfristigen Interessen des Landes einbringt. Nachteilig wird es hingegen, wenn sie die Rolle primär aus kurzfristigen parteipolitischen Interessen ausübt. Meiner Ansicht nach nimmt die Opposition ihre Rolle dann möglichst positiv für das Land wahr, wenn sie die Regierungsarbeit überprüft, konstruktive Kritik übt und selbst für das langfristige Wohl des Landes sinnvolle Vorschläge einbringt.
Wenige Wochen nach Ihrer Thronrede vom 10. April konnte Regierungschefin Brigitte Haas die Landesrechnung 2024 mit einem Plus von 333 Millionen Franken präsentieren. Ein überraschend positives Ergebnis, das sowohl Warnungen vor kommenden, schlechteren Zeiten als auch Forderungen nach staatlichen Leistungen ausgelöst hat. Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Die Landesrechnung 2024 hatte von verschiedenen Faktoren profitiert, mit denen wir in den nächsten Jahren in dieser Konstellation nicht rechnen dürfen. Daher sollten wir mit der Ausweitung von staatlichen Leistungen zurückhaltend sein. In einigen Bereichen werden wir Leistungen ausbauen müssen – teilweise auch in Bereichen der vorher angesprochenen Herausforderungen. Damit wir die staatlichen Leistungen insgesamt aber möglichst nicht ausweiten, sollten wir gleichzeitig in anderen Bereichen nach Einsparungsmöglichkeiten suchen.
Vor knapp zehn Jahren hatte die Regierung die Wahrnehmung der Staatsaufgaben überprüft. Angesichts neuer Entwicklungen im digitalen Bereich, insbesondere bei der künstlichen Intelligenz, wäre es vielleicht sinnvoll, wieder einmal eine solche Überprüfung vorzunehmen.
In Zusammenhang mit den Staatseinnahmen steht die Situation der Geldspielbetriebe. Liechtensteins Casinos haben allein in den beiden vergangenen Jahren über 100 Millionen Franken an das Land abgeführt. Künftig dürfte die Geldspielabgabe drastisch zurückgehen. Wie beurteilen Sie die geforderten Lockerungen der Vorschriften, um den Unternehmen das Überleben und damit dem Staat Einnahmen zu sichern?
Grundsätzlich finde ich es richtig, einen staatlich regulierten Geldspielbetrieb zuzulassen, weil ein Verbot von Geldspiel für eine Gesellschaft negativer ist. Eine zu lockere Regulierung des Geldspiels sehe ich hingegen kritisch, vor allen bei den hinsichtlich Spielsucht meist mit äusserst problematischen psychologischen Programmierungen verbundenen Geldautomaten. Die Generierung von Staatseinnahmen sollte bei der Regulierung von Geldspiel nur ein nachrangiges Ziel sein, wobei man sich auch fragen kann, wie viele Unternehmen es in Liechtenstein dafür überhaupt benötigt.
Ein Thema, das den Frühling dominiert hat, waren die Internationalen Gesundheitsvorschriften, kurz IGV, beziehungsweise die Frage, ob Liechtenstein Widerspruch einlegen soll oder nicht. Inzwischen sind die Würfel gefallen. Hat die Politik Ihres Erachtens die richtige Entscheidung getroffen und was bewegt Sie zu dieser Ansicht?
Zwar hat die Schweiz einen Vorbehalt zum Umgang mit Fehl- und Desinformation in der Risikokommunikation angebracht, wegen einer anderen rechtlichen Grundlage bringt uns dies aber meines Wissens nichts. Daher kann ich die Entscheidung nachvollziehen.
In Zusammenhang mit den IGV wurde auch befürchtet, dass Gräben, die sich in der Corona-Zeit aufgetan haben, erneut aufgeworfen werden. Wie erleben Sie die gesellschaftliche Versöhnung seit der Pandemie? Schreitet sie gut voran oder braucht das Land eine stärkere Aufarbeitung?
Aus meiner Sicht wurden leider bisher Chancen zu einer noch besseren Aufarbeitung verpasst. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die neue Regierung, insbesondere der neue Gesellschaftsminister, sich diesem Thema nochmals widmen will.
Aussen- und wirtschaftspolitisch waren die Zölle, die US-Präsident Trump angekündigt, verschoben, erneut angekündigt hat, ein grosses Thema. Dass Unsicherheiten entstanden sind, steht ausser Frage. Doch wie kann ein Kleinstaat wie Liechtenstein sich in einem solchen international schwierigen Umfeld überhaupt einbringen und seine eigene Position festigen beziehungsweise positiv beeinflussen?
Die Möglichkeiten für Kleinstaaten, die internationalen Rahmenbedingungen zu beeinflussen und unsere Interessen dadurch auf internationaler Ebene durchzusetzen, waren immer schon sehr beschränkt. In der Vergangenheit konnten wir uns teilweise in Zusammenarbeit mit anderen, gleichgesinnten Staaten vor allen durch Initiativen in internationalen Organisationen erfolgreich für Rahmenbedingungen einsetzen, die eine gewisse Sicherheit für Kleinstaaten und auch deren Volkswirtschaften geboten haben. Derzeit wird diese sogenannte regelbasierte Ordnung jedoch von verschiedensten grossen Staaten infrage gestellt. Im Bereich der Zölle müssen wir wegen des Zollvertrages aber sowieso in enger Abstimmung mit der Schweiz gemeinsam Lösungen suchen.
Weitere Positionen werden Sie in Ihrer Ansprache zum Staatsfeiertag am kommenden Freitag sicher darlegen, und die Politikerinnen sowie Politiker warten gespannt auf Ihre Worte. Worauf freuen Sie sich persönlich rund um Staatsakt und Volksfest aber am meisten?
Für mich ist der Staatsfeiertag immer eine geschätzte Gelegenheit, der Bevölkerung meine Gedanken zu unserem Staat und dessen Zukunft mitzugeben und mich anschliessend mit der Bevölkerung darüber auszutauschen. Gleichzeitig freue ich mich, am Staatsfeiertag jeweils Personen zu treffen, die man teilweise schon länger nicht mehr gesehen hat.