Lesermeinung von Brigit Elkuch, stv. DpL- Abgeordnete, Nendeln
Liechtenstein, bekannt für seine malerische Landschaft und die starke Verbindung zur Natur, steht vor einer wichtigen Entscheidung bezüglich seiner zukünftigen Energieversorgung. Während das Ziel, erneuerbare Energien zu fördern, unbestritten ist, müssen wir sorgfältig abwägen, welche Technologien am besten zu den einzigartigen Gegebenheiten unseres Landes passen.
Derzeit ist der Untersuchungsrahmen für die strategische Umweltprüfung zur Festlegung von Gebieten für Windkraftwerke zur öffentlichen Stellungnahme ausgeschrieben. Der Bau von Windkraftanlagen wirft in mir ernsthafte Bedenken auf.
Die Windleistungskarte Liechtensteins zeigt, dass der Bau von Windkraftanlagen nur auf wenigen, stark eingegrenzten Flächen möglich wäre. Das Problem: Diese potenziellen Standorte liegen grösstenteils auf bestem Ackerland oder in Natur- und Landschaftsschutzgebieten. In der strategische Umweltprüfung (SUP) ist zwar angeführt, dass Landwirtschaftsflächen nur für ein überwiegendes öffentliches Interesse ausgezont werden dürfen und dies kompensiert werden soll. Doch wie soll sie ersetzt werden? Es lässt sich kaum neuer Boden züchten – oder haben unsere Bauer und Bäuerinnen diese Kunst noch nicht gelernt? Angesichts des Verlusts von bereits 11,3 % des Kulturlandes zwischen 1984 und 2019 ist der Druck auf diese Flächen enorm. Was ist regional wichtiger? Die Ernährungssicherheit oder die Energieerzeugung?
Jede Windkraftanlage benötigt einen erheblichen Flächenverbrauch von 3000 bis 5000 Quadratmeter, fast ein Fussballfeld, für die permanente Versiegelung durch Fundament und Betriebsflächen. Hinzu kommt der notwendige Ausbau der Zufahrten, der weitere Flächen beansprucht, sodass der durch Bau und Betrieb beeinflusste Bereich insgesamt eine Fläche von bis zu 10‘000 Quadratmetern erreichen kann. Der Verlust selbst kleiner Flächen hat in unserem Land weitreichende Konsequenzen.
Neben dem direkten Flächenverbrauch sind die Auswirkungen auf die Umwelt gravierend. Windkraftanlagen bedeuten Veränderungen in der Biodiversität durch den starken Eingriff in die Lebensräume. Besonders besorgniserregend ist der Vogelschlag: Die Windflügel werden zur tödlichen Gefahr für Vögel und Fledermäuse, insbesondere für Zugvögel. Das kann die Populationen ohnehin schon gefährdeter Arten zusätzlich dezimieren.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der genannte Mindestabstand von nur 300 Metern zu besiedelten Gebieten. Dies bei Anlagenhöhe von 285 Meter! Das steht in starkem Kontrast zu den Regelungen in benachbarten Ländern: Österreich und Deutschland sehen hier wesentlich weitere Distanzen vor, die oft über 1.000 Meter, teils sogar das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen können. Die geringe Distanz von vorgesehenen 300 Meter in Liechtenstein scheint einzig dem Zweck zu dienen, überhaupt Standorte zu finden. Der geringe Abstand erhöht die Belastung für Anwohnende durch Lärm, insbesondre Infraschall, Schlagschatten und visuelle Beeinträchtigung erheblich.
Auch die Materialien der Anlagen bergen Risiken: Rotorblätter enthalten Glasfasern und PFAS-haltige Lacke. Während der Abrieb im Normalbetrieb mit 200–1.000 Gramm pro Jahr als gering eingestuft wird, können bei Defekten oder Brüchen erhebliche Mengen dieser Stoffe freigesetzt werden, was eine direkte Gefahr für Menschen, Tiere und Umwelt darstellt. Und wohin mit dem Rückbau nach den circa 25 Betriebsjahren?
Sind die alternative Energiequellen, insbesondere die Wasserkraft, ausreichend geprüft worden? Während in Liechtenstein ein Postulat zur Prüfung einer Wasserkraftanlage beim Rhein im Binnenkanal 2023 abgelehnt wurde, prüft der benachbarte Kanton St. Gallen derzeit die Machbarkeit eines Rheinkraftwerks auf Höhe Ellhorn. Dies verdeutlicht eine merkwürdige Prioritätensetzung und wirft die Frage auf, warum Liechtenstein ein solches Potenzial ungenutzt lässt.
Angesichts dieser Argumente ist es unerlässlich, dass Liechtenstein seine Prioritäten klar definiert: Der Schutz unserer Landwirtschaft, die Sicherstellung der regionalen Lebensmittelversorgung und der Erhalt unserer wertvollen Landschaft müssen Vorrang haben. Es ist höchste Zeit, umfassende und nachhaltige Alternativen zu prüfen, die unsere Landschaft respektieren und unsere Lebensgrundlagen sichern.