Giulio Vogt aus Schellenberg ist 19 Jahre jung und kam durch seine Qualifikation an schweizerischen und internationalen Chemie-Olympiaden an verschiedene Orte der Welt, so letztes Jahr nach Riad und dieses Jahr nach Dubai. Mitte September startet Giulio sein Studium an der ETH in Zürich. Das Jugend-Interview mit Giulio könnte spannender nicht sein.
Interview: Johannes Kaiser
Giulio, wie entdeckt man die Leidenschaft für Chemie? Für viele ist dieses Fach während der obligatorischen Schulkarriere eine Odyssee.
Giulio Vogt: Die Chemie ist deswegen faszinierend, weil sie einen Ansatz bietet, komplexe Begebenheiten der Natur, die auch in ganz alltäglichen Situationen von Bedeutung sein können, zu begreifen. Das Tolle ist, dass man das, was man theoretisch lernt und sich überlegt, auch im Experiment so umzusetzen versuchen kann, dass man auch tatsächlich sieht, was passiert. Die Erkenntnis, dass die Chemie ein sehr interessantes Gebiet ist, habe ich vor allem der Chance zu verdanken, im Zuge der letztjährigen und diesjährigen Teilnahme an der Olympiade mehr über sie zu lernen und den Freiwilligen, die diese Disziplin so zugänglich gemacht haben.
Vom 5. bis zum 14. Juli fand in den Vereinigten Arabischen Emiraten die 57. Internationale Chemie-Olympiade statt. Du warst schon letztes Jahr ein Olympiade-Teilnehmer in Riad. Wie kamst du auf die Idee, an diesem weltweiten Wettbewerb teilzunehmen?
Generell beginnen alle Schweizer Olympiaden, an denen auch wir Liechtensteiner teilnehmen dürfen, mit einer ersten Qualifizierungsrunde, die online stattfindet. Da wir in der Schule einige solcher ersten Runden absolviert hatten, habe ich mich letztes Jahr spontan dazu entschieden, bei der ersten Runde der SChO, wie die Schweizer Chemie Olympiade abgekürzt heisst, mitzumachen. Insgesamt folgen nach dieser Onlineprüfung zwei weitere Prüfungsrunden und zahlreiche Vorbereitungsveranstaltungen an einer Vielzahl von Schweizer Universitäten, deren Absolvierung mich letztes Jahr nach Riad in Saudi-Arabien und dieses Jahr nach Dubai geführt hat. Einfach probieren kann in so einem Fall also nicht schaden.
Kannst du die Disziplin oder Disziplinen an dieser Chemie-Olympiade genauer beschreiben?
Die IChO und auch die SChO prüft ihre Teilnehmer mit zwei verschiedenen Prüfungen. Eine davon ist praktisch und die andere theoretisch, wobei es in der Chemie drei grosse thematische Bereiche gibt, die Inhalt der jeweiligen Prüfung sein können. Diese drei Gebiete umfassen die physikalische Chemie, sie beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen von chemischen Prozessen und Substanzen, die organische Chemie, beschäftigt sich, mit einigen Ausnahmen, mit Verbindungen, die auf dem chemischen Element Kohlenstoff basieren, und die anorganische Chemie, welche die Chemie aller chemischen Elemente behandelt, ausser die von Kohlenstoff – wiederum mit einigen Ausnahmen.
Wie gross ist das Teilnehmerfeld und aus wie vielen Ländern kommen die Teilnehmer?
Die diesjährige IChO war mit 354 Teilnehmenden aus 91 verschiedenen Ländern die bisher grösste Chemieolympiade überhaupt, und erstmals war auch Liechtenstein mit einem vollen Team, also vier Personen, vertreten. Diese Vielzahl an Teilnehmenden aus der ganzen Welt ist auch eine der hervorragendsten Qualitäten von Anlässen dieser Art. So ist es möglich, über die verschiedensten Kulturen der Welt, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu lernen.

Wie sahen die Prüfungstage aus? Was hat dich zu deiner hervorragenden Leistung geputscht?
Bei der praktischen Prüfung sind Aufgaben typisch, bei denen es beispielsweise darum geht, ein Produkt aus gegebenen Ausgangsstoffen herzustellen, beziehungsweise zu synthetisieren und zu analysieren oder die Zusammensetzung gewisser Chemikalien oder Mixturen mittels verschiedener Methoden zu ermitteln. Die Theorieprüfung besteht dabei aus verschiedenen Aufgaben, die auch themenübergreifend den zuvor genannten Gebieten der Chemie zugeordnet werden können. Dieses Jahr lag beispielsweise ein grosser Fokus auf verschiedenen Modellen, welche die räumliche Anordnung der Atome eines Moleküls aufgrund von verschiedensten Faktoren bei deren Herstellung vorhersagen können. An der letztjährigen IChO in Riad lag ein Fokus zum Beispiel auf katalysierten Reaktionen. Beide Prüfungen haben bei dem internationalen Wettbewerb jeweils fünf Stunden in Anspruch genommen.
Zum einen konnte ich mich dadurch motivieren, mich vorzubereiten, da ich diese Inhalte an einem gewissen Punkt im Studium benötigen werde und die Inhalte sehr interessant sind. Zum anderen hatten wir sehr tolle Mentoren und Mentorinnen, die bei allen möglichen Fragen stets zur Stelle waren. Für uns war es ein grosses Privileg, dass wir uns gemeinsam mit den Schweizern vorbereiten durften. Einer der Vorbereitungsanlässe hat sogar im Gymnasium in Vaduz stattgefunden.
Da kommt ein Chemie-Talent aus Schellenberg – aus einem 1000-Seelen-Dorf – in die Arabischen Emirate mit 10,8 Millionen Einwohnern … – welche Eindrücke prasselten auf dich ein?
Die beiden arabischen Städte Riad und Dubai könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie waren beide auf ihre eigene Weise sehr eindrücklich für mich. Riad zeugt von arabischer und orientalischer Geschichte, Religion und Kultur. Wir durften dort ein breites Rahmenprogramm geniessen und bekamen einiges von der historischen Stadt und von deren Umgebung zu sehen. Meistens fanden diese Ausflüge am Abend statt, als die Temperatur mit trockenen 38 Grad gut erträglich war. Dubai als Teil der Vereinigten Arabischen Emirate ist deutlich jünger und blickt auf eine Geschichte von nur zirka 60 Jahren zurück. Die Stadt ist dabei ein wenig mehr auf den internationalen Tourismus ausgelegt und an ihn angepasst, sodass auch in Dubai ein eindrückliches Rahmenprogramm an den Abenden stattfand. Beide Städte hinterliessen umfangreiche Eindrücke, wenn auch stark unterschiedliche.
Du beginnst nun dein Studium an der ETH in Zürich. Was ist dein Ziel?
Zunächst ist es mein Ziel, gut in mein Studium zu starten, meine Interessen weiterzuverfolgen und irgendwann in diesem oder einem verwandten Gebiet tätig zu sein. Grundsätzlich möchte ich in der Forschung arbeiten. Ich freue mich nun sehr auf die Zeit an der ETH und kann es eigentlich kaum erwarten, am 15. September in Zürich zu starten. Bis dahin darf ich in Buchs bei der Merck ein vierwöchiges Praktikum absolvieren, was für mich eine grossartige Chance ist, weiter in die Welt der Chemie hineinzublicken und vieles auszuprobieren.
Was machst du in der Freizeit – welches sind deine Hobbys?
In meiner Freizeit versuche ich mich an neuen Kochrezepten, treibe Sport, bin Pfadfinder und spiele im Musikverein Cecilia Schellenberg Waldhorn. Wenn es die Zeit zulässt, besuche ich gerne Konzerte und treffe mich mit meinen Freunden. Grundsätzlich bereitet es mir auch in meiner Freizeit grosse Freude, mich mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Neuerungen in der heutzutage doch sehr stark dynamischen Geopolitik zu beschäftigen und über diese Thematiken zu debattieren.
Danke, Giulio, für dieses höchst interessante, spannende und sehr sympathische Gespräch.
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