Landtagspräsident Manfred Kaufmann berichtet im Interview über seine Aufgaben, darüber, welche Ansprüche er an sich selbst stellt und wie er seine Rolle interpretiert, welche Diskussionskultur er erwartet und wie die Arbeit des Parlaments effizienter werden soll.

Interview: Heribert Beck

Herr Landtagspräsident, Sie bekleiden das Amt des höchsten Volksvertreters nun seit dem 10. April, also seit einem knappen halben Jahr. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Manfred Kaufmann: Es ist für mich eine grosse Ehre und Freude, das Amt des Landtagspräsidenten ausüben zu dürfen. Ich danke dem Landtag nochmals herzlich für das mir mit der Wahl zum Präsidenten entgegengebrachte grosse Vertrauen.

Die Anfangszeit war ziemlich intensiv. Im Zuge der Nachbesetzung der Stelle des Landtagssekretärs und der im vergangenen Jahr angestossenen Landtagsreform gab es mehrere ausserordentliche Sitzungen des Landtagspräsidiums von relativ grossem Zeitaufwand. Auch waren die ersten Landtagssitzungen von umfangreichen, teils auch sehr komplexen Traktandenthemen geprägt. Dies auch als Folge der längeren sitzungsfreien Übergangszeit aufgrund der Neuwahlen und der Sommerpause. Generell empfinde ich die mit dem Amt des Landtagspräsidenten verbundenen Aufgaben als äusserst interessant und herausfordernd, aber auch sehr verantwortungs- und ehrenvoll.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag seither verändert?
In der letzten Legislaturperiode war ich Fraktionssprecher sowie Vorsitzender der Aussenpolitischen Kommission und der EWR/EFTA-Delegation – auch dies war zeitintensiv. Damit ich mich nun voll und ganz auf das Amt des Landtagspräsidenten konzentrieren kann, habe ich mich lediglich für den Vorsitz in der Internationalen Parlamentarischen Bodenseekonferenz zur Verfügung gestellt, welche sich nur zweimal im Jahr trifft. Grundsätzlich hat sich mein Alltag also nicht stark verändert, wohl aber die Aufgaben im Landtag.

Was sind Ihre Hauptaufgaben als Parlamentspräsident?
Die wichtigste Aufgabe ist die Leitung der Landtagssitzungen sowie die Vertretung des Landtags nach aussen. Dazu gehören auch die Treffen mit anderen Parlamentspräsidenten. So war ich kürzlich am Treffen der Parlamentspräsidenten der europäischen Kleinstaaten in Zypern – ein Austausch, der für alle Beteiligten sehr wertvoll war. Zudem stehe ich von Amtes wegen dem Landtagspräsidium vor und bin neben der Sitzungsführung auch für die Veranlassung der Vor- und Nachbereitung sowie die Umsetzung der in diesen Sitzungen verabschiedeten Beschlüsse verantwortlich. Ebenfalls arbeite ich eng mit dem Parlamentsdienst zusammen.

Mit 23 Stimmen sind Sie bei der Eröffnungssitzung mit einem Glanzresultat gewählt worden. Was bedeutet Ihnen dies und inwiefern empfinden Sie es als Auftrag?
Die hohe Zustimmung im Landtag, quer über die Parteigrenzen hinweg, hat mich sehr gefreut. Sie spiegelt auch mein Wahlresultat im Februar wider, bei dem ich einen grossen Teil der Stimmen aus anderen Parteien erhalten habe. Für mich steht das Miteinander im Vordergrund. Ein starkes Liechtenstein braucht das Verbindende, nicht das Trennende. Das Vertrauen verstehe ich als klaren Auftrag: Ich möchte alle im Landtag vertretenen Parteien so gut wie möglich in die Arbeit einbinden, so weit es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen.

Wie haben Sie die ersten Sitzungen unter Ihrer Leitung erlebt? Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg, wie ist die Diskussionskultur?
Fast die Hälfte der 25 Abgeordneten ist neu im Landtag. Entsprechend waren die Mai- und die Juni-Sitzung noch von einer gewissen Einarbeitung und Anspannung geprägt, was völlig normal ist. Bereits im September war ein deutlicher Rhythmus spürbar, die Abläufe waren merklich effizienter. Die Diskussionskultur spiegelt meines Erachtens letztlich auch die unterschiedlichen Charaktere der im Landtag vertretenen Abgeordneten wider. Meine Aufgabe ist es, die Debatten zu leiten und bei Bedarf einzugreifen. Mir ist eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen wichtig. Persönliche Angriffe oder Beleidigungen haben im Landtag keinen Platz. Diese sind schlichtweg dem Ansehen und der Würde des Hohen Hauses in jeglicher Hinsicht abträglich.

Zu Beginn der ersten Arbeitssitzung des neuen Landtags haben Sie sich für Effizienz ausgesprochen. Aufhorchen lassen haben Sie mit der Aussage: «Ich fühle mich auch keinesfalls angegriffen, wenn nicht bei jeder Wortmeldung ‹besten Dank für das Wort, Herr Präsident› gesagt wird.» Eine kleine Massnahme, aber mit Symbolgehalt. Wie möchten Sie persönlich die Arbeit des Landtags sonst noch effizienter gestalten?
Mir ist wichtig, dass die Debatten zielgerichtet und ohne unnötige Wiederholungen geführt werden. Themen sollen konzentriert behandelt werden, ohne vom wesentlichen Punkt abzuschweifen. Dabei sollen die essenziellen Fragen gründlich diskutiert werden mit dem Ziel, die Pro- und Contra-Argumente für die Entscheidungsfindung sorgfältig abzuwägen. Effizienz bedeutet für mich, legitime Anliegen der Bevölkerung oder übergeordnete Landesinteressen einer möglichst raschen und lösungsorientierten Behandlung zuzuführen.

Generell können Sie die Effizienz wohl auch als Präsident nicht allein steigern. Wie steht es um die seit Jahren immer wieder diskutierte Anpassung der Geschäftsordnung des Landtags, kurz GOLT? Denken Sie, dass sich diesbezüglich in der laufenden Legislaturperiode etwas tun könnte? Falls ja: Was wünschen Sie sich von einer neuen GOLT?
Wir sind bei der Landtagsreform bereits weit fortgeschritten und können den Entwurf des Gutachtens demnächst den im Landtag vertretenen Fraktionen und der Wählergruppe zur Vernehmlassung zustellen. Es sind spannende Vorschläge enthalten, die ich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht im Detail erläutern möchte. Mein Ziel ist klar und ich bin optimistisch, dass in dieser Legislaturperiode im Rahmen dieser Reform einiges umgesetzt werden kann, damit die Prozesse in der Landtagsarbeit eine merkliche Verbesserung erfahren.

Sie bringen sich selbst stärker mit Wortmeldungen in die Debatten ein als Ihre Vorgänger, so scheint es zumindest. Wie interpretieren Sie Ihre Rolle? Sind Sie als Präsident eher Moderator oder Teilnehmer an den Debatten?
Als Landtagspräsident habe ich an den Landtagssitzungen neben der Leitung der Sitzungen grundsätzlich die gleichen Rederechte wie jedes andere anwesende Mitglied des Landtags. Ich sehe mich keinesfalls ausschliesslich auf die Rolle eines Moderators beschränkt. Von Beginn an habe ich klargestellt, dass ich mich auch in der neuen Rolle als Landtagspräsident weiterhin bei der Themendiskussion im Plenum einbringen werde. Dafür bin ich schliesslich gewählt worden. Ich sehe dies übrigens auch als eine klare Verpflichtung gegenüber meinen Wählerinnen und Wählern.

Welche Ziele haben Sie sich generell für die Legislaturperiode 2025 bis 2029 gesetzt?
Mein Ziel ist es, meinen politischen Beitrag zu leisten, damit Liechtenstein auch in Zukunft erfolgreich bleibt. Als Volksvertreter ist es unsere Aufgabe, legitime Anliegen und Interessen der Bevölkerung aufzunehmen und uns für sie einzusetzen. Darüber hinaus möchte ich die Wahrnehmung des Landtags im Aussenbild stärken und unser Land auch aussenpolitisch bestmöglich vertreten. Mit der Landtagsreform zielen wir auf eine generelle Effizienzsteigerung und Verbesserung in den Prozessabläufen bei der Landtagsarbeit hin.

Wie lautet Ihr persönlicher Wunsch, wenn Sie gefragt werden, was hiermit ja geschieht, wie die Bevölkerung die Arbeit des Landtags am Ende der Legislatur bewerten soll?
Es ist mir ein grosses Anliegen, die Rolle und Funktion des Landtags in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken. Am Ende der Legislaturperiode soll die Bevölkerung sagen können: Der Landtag hat sich mit voller Kraft für Land und Leute eingesetzt, gute Ideen im politischen Wettbewerb hervorgebracht und dies alles mit einem wachsamen und verantwortungsvollen Umgang mit den Staatsfinanzen. Das ist nicht nur mein Wunsch, sondern auch mein Anspruch.